Prostitution
Landsknecht und Dirne
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Daniel Hopfer: Liebespaar oder Ein Landsknecht umarmt eine Frau, 1525-1535
Eisenradierung, 223/222 x 153/155 mm, Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg (Nor.K.4055).
Ende des 15. Anfang des 16. Jahrhunderts tritt ein neues Phänomen auf dem Kunstmarkt auf. Sexualität – offen oder verdeckt – wird als Bildthema entdeckt. Besonders im militärischen Kontext stehen häufig Prostitution und Verfehlungen wie Glücksspiel und übermäßiges Trinken im Vordergrund.
Doch welche Aufgabe hatten diese Art Bilder? Sollten sie moralisieren? Belustigen? Oder sollten sie „Männliche Wunschträume“ (Christiane Anderson: Von „Metzen“ und „Dirnen“. Frauenbilder in Kriegsdarstellungen der Frühen Neuzeit. In: Karen Hagemann/Ralf Pröve (Hrsg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S. 171-198, hier: S. 183) verbildlichen?
Die Platte der hochformatigen Eisenradierung hat die Maße 223/222 x 153/155 mm. Das Blatt ist unbeschnitten und verfügt über kein Wasserzeichen. Auf der Rückseite befindet sich der Stempel der Nürnberger Stadtbibliothek, darunter ist die Bestandsnummer Nor K 4055 zu lesen. Auf den hellen Flächen der Graphik sind feine Linien und Punkte erkennbar. Diese stammen von der leicht brüchigen Eisenplatte. Zudem ist der obere Rand des Blattes braun, was auf starke Sonneneinstrahlung schließen lässt.
Laut Christof Metzger gibt es drei nachgewiesene Druckkampagnen (vgl. Christof Metzger (Hrsg.): Daniel Hopfer. Ein Augsburger Meister der Renaissance. Eisenradierungen, Holzschnitte, Zeichnungen, Waffenätzungen [Katalog zur Ausstellung der Staatlichen Graphischen Sammlung München. München, Pinakothek der Moderne, 5.November 2009 bis 31. Januar 2010]. Berlin u.a. 2009, S. 404). Als Erstes die Abzüge von Hopfer selbst, der zweite Abzug von Kilian im 17. Jahrhundert (Bei diesem Abzug blieb die Platte unverändert, also wie I. Zustand.), der dritte dann von dem Nürnberger Verleger Funck, der die Platte mit der Nummer 96 – unten links im Bild – versah. Der hier vorliegende Abzug stammt aus dem Jahr 1684. Bisher wurde die Graphik noch nicht eindeutig datiert. Eine genaue Datierung ist jedoch auch sehr schwer, jedoch kann eine Eingrenzung vorgenommen werden.
Ihre Kopfbedeckung war ursprünglich für Männer gedacht. Das Phänomen, das auch Frauen diese Mütze tragen, trat erst um 1520 auf. Vorher kann diese Graphik also nicht entstanden sein.
Da Hopfer 1536 stirbt, kann sie also auch nicht später datiert werden. Bleibt also nur noch ein Zeitraum zwischen 1520 und 1536. Werden nun andere Darstellungen herangezogen, bestätigt sich der Datierungsvorschlag.
Auf dem zwischen 1530 und 1560 entstandenen Werk Niklas Störs tragen einige der Landsknechte ähnliche Hemden und Rüstungen wie der Landsknecht auf der Graphik Hopfers.
Doch es ist auch ein Vergleich in Hopfers Œuvre selbst zu finden. (Landsknecht und Frau I). Diese Graphik entstand nach einer Vorlage von Erhard Schön zwischen 1525 und 1530. Besonders der Hut und die Schlitzungen der Hemdsärmel weisen starke Ähnlichkeit auf. Es könnten noch einige Abbildungen mehr zu Rate gezogen werden, die die gleichen Ähnlichkeiten aufweisen. Darauf soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden. Deshalb bleibt abschließend nur noch zu sagen, dass die Graphik des „Landsknechts mit Dirne“ zwischen 1525 und 1535 entstanden sein dürfte.
Die Radierung von Daniel Hopfer zeigt im Vordergrund ein Paar, das unter einem Apfelbaum steht. Dabei schlingt der Mann seine Arme um die Frau. Hinter ihnen öffnet sich der Blick in einen umzäunten Garten. Darin sitzt ein weiteres Paar unter einem Baum. Dahinter erstreckt sich eine Landschaft mit einem großen Berg.
Die Szene wird dominiert von dem im Vordergrund stehenden Paar, wobei besonders die Frau die Blicke auf sich zieht. Während sie den rechts hinter ihr stehenden Mann anblickt, liegen die Hände beider auf ihrer Brust. Er blickt ihr dabei ebenfalls in die Augen. Ihr langes Kleid ist eher schlicht, nur an den Ellenbogen sind die Ärmel gepufft und mit Schleifen verziert. Vor ihr steht eine Bank auf der sich der Saum ihres Kleides faltenreich ausbreitet und fast das Monogramm Hopfers in der rechten unteren Ecke überdeckt. Sie trägt ihr lockiges Haar offen, nur mit dem Hut bedeckt, der starke Ähnlichkeit mit einem Apfel aufweist. Die zwei Ketten um ihren Hals sind der einzige Schmuck, der sichtbar ist. Dagegen wirkt die Kleidung des Landsknechtes pompöser. Seine Ärmel sind stark gebauscht und weisen zweifarbige Schlitzungen auf. Durch den Schnitt seines Waffenrockes werden seine Schultern betont. Der Waffenrock selbst ist kunstvoll gearbeitet und reich verziert. Sein nach links blickender, kurz geschorener Kopf weist Beulen auf und ist mit einem Kränzchen aus jungen Zweigen bekrönt. Der geschlitzte, federgeschmückte Hut hängt um seinen Hals. Das Paar wird von einem Apfelbaum flankiert, dessen Zweige sich über ihnen wie ein Dach auffächern. Unter den Zweigen des Baumes, in der rechten oberen Ecke, jagen sich zwei Schwalben.
Wandert der Blick nun in den Mittelgrund der Graphik, der sich am rechten Bildrand öffnet, zeigt sich eine weitere Szene. Ein Pärchen hat sich in einem umzäunten Garten im Schatten eines Baumes niedergelassen. Arm in Arm blicken sie sich in die Augen. In ihrer Versunkenheit bemerken sie nicht den Hund, der versucht an das Essen auf dem Tisch zu kommen, der vor ihnen steht.
Im Hintergrund erhebt sich ein mächtiger Berg. Zu diesem führt ein Weg durch die Landschaft, auf dem sich zwei weitere Figuren befinden.
Die Frau steht auf der Mittelsenkrechten der Graphik. Die Mittelwaagrechte beginnt ungefähr am Fuße des Berges, Hopfer führte sie jedoch auf der linken Bildseite nicht weiter. Als weitere Senkrechte im Bild kann der Stamm des Apfelbaumes angesehen werden, durch dessen Baumkrone und Zweige eine weitere Waagerechte entsteht. Die aussagefähigste Anordnung der kompositionellen Linien ist jedoch diagonal. Als Beispiele können hier die Falten im Kleid (Die Falten in ihrem Rock bilden noch eine weitere Besonderheit, denn sie können auch noch als eine Art Mandorla gesehen werden, welche dann den Blick auf ihre Scham lenken würde.), der rechte Oberarm der Frau oder auch die Flugrichtung der Vögel genannt werden. So wird die Darstellung nicht nur in Haupt-, Mittel- und Hintergrund strukturiert, sondern die Diagonalen leiten auch den Blick. Besondere Aufmerksamkeit wird dadurch auf die Szene im Mittelgrund gelenkt. Gleichzeitig entsteht durch die Diagonalen eine Binnenrahmung, weshalb von drei eigenständigen Szenarien in der Graphik gesprochen werden kann, wobei das Hauptaugenmerk auf den Paaren in Vorder- und Mittelgrund liegt.
Durch den Einsatz von Hell und Dunkel verstärkt sich dieser Eindruck noch. Dadurch, dass die rechte Seite ihres Kleides stark mit Schatten modelliert ist, tritt das Paar im Mittelgrund durch seine Helligkeit stärker hervor.
Die Graphik zeigt zwei Liebespaare, eines im Vordergrund stehend, das andere im Mittelgrund sitzend. Doch zuerst zu dem prominenter platzierten Paar. Der Mann ist durch seinen federgeschmückten Hut und das geschlitzte Hemd als Landsknecht ausgewiesen. Er hält die Frau vor sich fest umschlungen. Diese Art von Paardarstellungen war neben anderen (siehe Arbeitswelt) durchaus häufiger und weit verbreitet (siehe Landsknecht und Frau I und Ein Soldat umarmt eine Frau).
Hopfer baut hier einen Zusammenhang zu dem militärischen Leben auf, spielt aber auch gleichzeitig mit den für Landsknechte typisch geltenden sündigen Verhaltensformen. Gleichzeitig repräsentiert der Landsknecht die mittelalterliche und frühneuzeitliche Männlichkeit und ihre Dominanz.
Seine modische Schlitzkleidung weist ihn jedoch nicht nur als Landsknecht auf, sie war für die Zeitgenossen auch ein Zeichen für unmoralisches Verhalten, dass den Söldnern nachgesagt wurde (vgl. Huntebrinker, S. 147). Der Kranz aus Zweigen auf seinem Haupt könnte somit für seine Triebhaftigkeit und Wildheit stehen, Eigenschaften des Wilden Mannes. Der Griff an ihre Brust kann deshalb leicht von ihm ausgehend gelesen werden.
Aber auch die andere Leserichtung wäre denkbar. Denn die sexuelle Anspielung auf die angepriesene „Handelsware“, die sie anbietet, könnte auch von ihr ausgehen. Sie könnte zuvor seine Hände genommen haben und sie sich auf die Brust gedrückt haben.
In diesem Kontext könnte auch der Apfelbaum am linken Bildrand, unter dem das Paar steht, ein Verweis auf die Ursünde und Eva als Verführerin gesehen werden. Denn auch das Thema des Sündenfalls konnte im 16. Jahrhundert sexuelle Motive beinhalten. Und auch die dort zu sehende Apfel-Brust-Metapher kann auf die Radierung Hopfers angewandt werden.
Doch damit nicht genug der erotischen Anspielungen. Hopfer platzierte ein weiteres Paar in seiner Komposition (siehe 2. Bildbeschreibung und Kompositionellen Analyse).
Hopfer könnte dieses Paar aus einer Graphik Altdorfers entlehnt haben (Das Liebespaar). Das junge Paar blickt sich verliebt in die Augen. Es scheint als ob sie die Welt um sich herum vergessen würden, denn sie sind so mit sich selbst beschäftigt, das sie gar nicht bemerken, wie der Hund über den gedeckten Tisch herfällt. Dabei kann der Hund auch als Zeichen für den Mann und seine Triebhaftigkeit gelesen werden. Sicher steht er aber für die Sexualität des Paares, die auch kurz davor sind, übereinander „herzufallen“.
Hopfer entlehnt in seiner Graphik manches Symbol, das den Zeitgenossen aus der mittelalterlichen Minnelyrik bekannt war. Doch bei ihm geht es weniger um die Liebe, sondern vielmehr um Erotik, Sexualität und Freizügigkeit. So zeigt Hopfer in seinem abgeschlossenen Garten, der als Treffpunkt für Liebende galt, nicht einen Mann mit Manieren, sondern er lässt ihn der Dirne an die Brust greifen. Die Vögel die sich gegenseitig jagen, stammen ebenfalls aus dieser Tradition. Jedoch sollen auch sie hier in einem derb-erotischen Sinne gedeutet werden. Hopfer bedient sich dieser langen Tradition der Liebesgärten, wandelt jedoch die höfische Liebe in die käufliche um (vgl. Anderson, S. 186).
Dass die Frau wirklich ihr Geld mit ihrem Körper verdient, spricht noch ein weiteres kleines Detail: der sogenannte Liebesknoten um ihren Hals. Dieses Schmuckstück trägt auch eine weitere Dame in Hopfers Œuvre (Eine Dirne Abb. 7). Die Ähnlichkeit hört jedoch bei dem Anhänger nicht auf, auch das Gesicht weist Gemeinsamkeiten auf. Somit könnte es sich auch um das gleiche Model oder wenigstens die gleiche Vorlage handeln.
Doch dies bleibt nicht die einzige Frau mit einem solchen Liebesknotenanhänger („Frau Venus“ mit Amor und Teufel). Bei der nackten Dame, die den Betrachter ebenfalls erwartungs- und verheißungsvoll anblickt, wurden von Hopfer Bezüge zur Liebesgöttin Venus und ihrem Sohn Amor hergestellt, jedoch nur auf formaler Ebene.
Sie soll – ganz in der mittelalterlichen Tradition verhaftet – eine deutliche Warnung darstellen (siehe 5. Interpretation des Werkes). Die Details und Begleiter der „Frau Venus“ verstärken die Aussage noch: „Mit den Verführungskünsten seines schönen Lockvogels macht der Teufel Jagd auf die Menschen – speziell die Männer“ (Metzger, S. 405).
Daniel Hopfer verpackt dabei die mittelalterliche Vorstellung von der Verführungsmacht der Frau in das modische Gewand mythologischen Antikenbezugs.
Diese Verführungsmacht schwingt auch in Hopfers „Landsknecht und Dirne“ mit. Die Frau ist darin weit davon entfernt, ihre gezähmte, durch den Mann kontrollierte Erotik zu präsentieren. Sie zeigt in dieser Radierung ihre „Weibermacht“ und ungezügelte Sexualität. Sie ist es, die das Triebhafte und Wilde im Mann hervorkommen und ausbrechen lässt. (Siehe Wilde Männer und Verbotene Liebschaften.)
Die Graphik wird hier unter dem Thema Prostitution gehandelt, dem wahrscheinlich ältesten Gewerbe der Welt. Die ersten Bordelle gab es schon im antiken Griechenland. Die dort arbeitenden Frauen kamen aus allen Bevölkerungsschichten, die meisten von ihnen waren jedoch Sklavinnen (vgl. Gertrud Blaschitz: Das Freudenhaus im Mittelalter [The Brothel in the Middle Ages]: In der stat was gesessen / ain unrainer pulian … In: Albrecht Classen (Hrsg.): Sexuality in the Middle Ages and Early Modern Times. New Approaches to a Fundamental Cultural-Historical and Literary-Anthropological Theme. Berlin 2008, S. 715-750, hier S. 716).
Trotz der Auffassung, dass Lust und Sinnlichkeit Sünden seien, war die Prostitution im Mittelalter nicht verboten (In der Forschung wurde sich schon häufiger mit dem Thema Prostitution und ihre Akzeptanz beschäftigt. So kann an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die Akzeptanz der Prostitution im 12. und 13. Jh. zur Institutionalisierung im 14. und 15. Jh. entwickelte, bevor sie dann im 16. Jh. dann weitestgehend verboten wurde. Siehe auch: vgl. Blaschitz, S. 717; Matthias Rogg: Landsknecht und Reisläufer: Bilder vom Soldaten. Ein Stand in der Kunst des 16. Jahrhunderts. Paderborn u.a. 2002, S. 58). Ganz im Gegenteil: Prostituierte und Dirnen hatten einen festen Platz in der Gesellschaft (Die Akzeptanz der städtischen Frauenhäuser im 15. Jahrhundert kann durch zahlreiche Besuche hochgestellter Persönlichkeiten belegt werden. Siehe auch: vgl. Blaschitz, S. 728.), wurden sogar auf manchem Fest gerne gesehen. Zudem stand es unverheirateten Männern frei, ihre sexuellen Bedürfnisse mit den leichten Mädchen zu befriedigen, nur verheirateten Männern war der Besuch in einem Bordell verboten (vgl. Blaschitz, S. 732). Schon hier macht sich die „Geschlechterungleichheit bemerkbar, ebenso wie die Forderung nach weiblicher Keuschheit und nach Prostitution“ (Claudia Opitz: Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte. Tübingen 2005, S. 182).
Bei der Arbeit in den Bordellen war die Grenze zwischen Zwang und Freiwilligkeit fließend, ebenso wie die Betrachtung und Bewertung von Sexualität stark auseinander ging. Zum einen wurde sie – wenn es um die vor- oder außereheliche Unzucht ging – als Laster oder Sünde angesehen, andererseits gab es ausgedehnte Öffnungszeiten der Bordelle und eine sehr körperbetonte Mode (vgl. Sabine Bark: Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Das Thema des Sündenfalls in der altdeutschen Kunst (1495-1545). Frankfurt a.M. und Bern 1994, S.109).
Folgt man Opitz, sind „Prostitution und Doppelmoral, Ehebruch und Reduktion [der Frau] auf »Heim und Herd« […] demnach deutliche Anzeichen für eine Intensivierung patriarchaler Herrschaftsverhältnisse“ (Opitz, S. 183). Bark formulierte die Rolle des Mannes sogar noch deutlicher, da sie der Meinung ist, es würde sich dabei alles um eine Form der Männlichkeit handeln. Zum einen um die Fähigkeit, sich „eine Frau zu »nehmen« im doppelten Sinn des Wortes, zum anderen, in der Ehe »die Hose anzubehalten«“ (Bark, S. 102). Die einzige Macht und das einzige Gut, das die Frau besaß – vor allem im Gewerbe der käuflichen Liebe – war ihr Körper, der sie aber gleichzeitig auch wieder zum Objekt für die Männer werden ließ.
Durch die allgemeine Akzeptanz von Prostitution ist es nicht verwunderlich, dass gegen Ende des Mittelalters auf dem Kunstmarkt ein immer größer werdendes Interesse an Bildthemen sexueller Natur entstand, ganz gleich, ob das Motiv offen oder versteckt verarbeitet wurde. (Siehe 3. Erläuterung des Bildgegenstandes.) Besonders im Kontext des Soldaten- oder Landsknechtbildes nahm das Thema der käuflichen Liebe immer größeren Raum ein (vgl. Rogg 2002, S. 58). Dies lag wahrscheinlich auch daran, dass sich das Gewerbe zu dieser Zeit in einer Umstrukturierung befand. Die Gründe dafür waren zum einen die Schließung der städtischen Bordelle aufgrund des religiösen Wandels und der reformatorischen Forderungen, zum anderen aber auch die nun vorherrschenden unabhängigeren, flexibleren und vor allem mobileren Strukturen des Gewerbes (vgl. ebd.). In jedem Tross, der den Landsknechten folgte, konnten sehr viele leichte Mädchen gefunden werden.
Aber warum entstand dieses Bildthema, wenn doch die Dirnen überall zu finden waren? Anderson und Rogg sind der Meinung, dass die männlichen Vorstellungen und Ideale, besonders im Bezug auf die Erotik, veranschaulicht werden sollten (vgl. Anderson, S. 183; Matthias Rogg: „Wol auff mit mir, du schönes weyb“. Anmerkungen zur Konstruktion von Männlichkeit im Soldatenbild des 16.Jahrhunderts. In: Karen Hagemann / Ralf Pröve (Hrsg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S. 51-73). So spielt „eine Mischung aus Faszination, unerfülltem Begehren und Schauder“ (Rogg 2002, S. 58) für den Betrachter – oder hier vielleicht sogar besser den Voyeur – eine wichtige Rolle. Demzufolge fertigten die männlichen Künstler einfach Werke, die den Wünschen der Käufer – ebenfalls Männer – entsprachen. Jedoch liegt auch eine Interpretation der Werke als Darstellungen von Sexualität, Freizügigkeit und käuflicher Liebe sehr nahe. Zudem kommt noch „der Topos vom verschwenderischen bzw. falschen Umgang mit Geld oder dem Hang zu sittlichen Verfehlungen der Kriegergesellschaft“ (Jan Willem Huntebrinker: »Fromme Knechte« und »Garteteufel«. Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jahrhundert. Konstanz 2010, S. 88) hinzu.
Zu der Zeit, in der die Graphik Hopfers entstand, erfreuten sich Bildthemen sexueller Natur – besonders im Bezug auf Landsknechte und ihre Begleiterinnen – größter Beliebtheit (siehe 4. Kontextualisierung). Häufig handelt es sich bei den Frauen um Prostituierte, jedoch konnten sie nicht immer eindeutig diesem Gewerbe zugeordnet werden. So auch bei Hopfers Werk. Typische Anzeichen, dass es sich bei der Frau um eine Dirne handelt, sind zwar teilweise gegeben, wie zum Beispiel das offene Haar und die „Unordnung“ ihres Rockes, es fehlt aber dennoch jeglicher eindeutige Beweis, dass es sich hier um käufliche Liebe handelt. (Viele Künstler machten die Lagerhuren ihrer Darstellungen durch bestimmte ikonographische Zeichen sichtbar: offenes Haar, ein tiefer Ausschnitt, ein Weingefäß und meist auffällig reichhaltige Kleidung. Siehe auch: Rogg 2002, S. 59.)
Die Kunstwerke, die dieses Thema verarbeiteten, waren primär in den Wunschträumen der Männer und eindeutig definierten Geschlechterrollen verhaftet (vgl. Anderson, S. 195). Prostitution wurde dabei hauptsächlich als sündiges Verhalten und moralische Schwäche der Frauen definiert. Sie waren es, die mit ihrer „Weibermacht“ in der Lage waren, die Männer zu verführen. Trotz der satirischen Darstellung des Themas Liebesgarten sollte das Werk auch eine Warnung vor der Triebhaftigkeit und dem Umgang mit Prostituierten beinhalten. Nicht zuletzt wegen der Gefahr der Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten, z.B. der Syphilis, von der auch Hopfers Landsknecht Spuren in seinem Gesicht trägt (siehe 2. Bildbeschreibung).
Zum Abschluss bleibt jedoch zu sagen, dass die meisten Bilder dieses Sujets wenig mit der Realität der Frauen gemein haben, denn über die wirklichen Lebensumstände der Prostituierten ist wenig bekannt.
Niclas Stör, Landsknechtschlacht, um 1530-1560
Hier können einzelne Personen und ihre Kleidung als Datierungshilfe dienen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die geschlitzten Ärmel und Hüte der Landsknechte sowie deren Harnische gelegt werden. Jedoch tragen nur wenige einen solchen Harnisch wie ihn der Landsknecht Hopfers zur Schau stellt.
Daniel Hopfer, Landsknecht und Frau I, 1525-1530
Die geschlitzten Ärmel seines Gewandes weisen starke Ähnlichkeit mit denen des Landsknechts auf Abbildung 1 auf. Und auch ihre Ärmel zeigen durch ihren Schnitt Gemeinsamkeiten mit denen der Dirne auf. Diese Graphik könnte ebenfalls versteckte sexuelle Anspielungen beinhalten, wie die überkreuzten Beine, der Apfel in ihrer Hand und den intensiven Blickkontakt der beiden schon vermuten lässt.
Daniel Hopfer, Ein Soldat umarmt eine Frau in einem Tondo, um 1515-1517
Unter einem Apfelbaum sitzend hat es sich dieses Paar gemütlich gemacht. Mit Weib und Wein lässt es sich der als Landsknecht ausgewiesene Lebemann sichtlich gut gehen. Diese Graphik kann ebenfalls als Bestätigung für die Beliebtheit dieses Sujets gesehen werden.
Hans Baldung Grien, Der Sündenfall, 1511
Dieser Holzschnitt des Sündenfalls gibt sehr schön die sexuelle Komponente des biblischen Sujets wieder. Hier greift Adam mit der einen Hand von hinten an Evas Brust, mit der anderen greift er in den Baum um selbst einen Apfel zu pflücken. Die Verführung – also Eva – ist zu stark und das Begehren Adams zu groß.
Albrecht Altdorfer, Das Liebespaar, 1511
Die Haltung und Stellung dieses Paares könnte für Hopfer als Vorlage für sein Paar im Mittelgrund der Radierung gedient haben.
Anderson, Christiane: Von „Metzen“ und „Dirnen“. Frauenbilder in Kriegsdarstellungen der Frühen Neuzeit. In: Hagemann, Karen / Pröve, Ralf (Hrsg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S. 171-198.
Bark, Sabine: Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Das Thema des Sündenfalls in der altdeutschen Kunst (1495-1545). Frankfurt a.M. und Bern 1994.
Blaschitz, Gertrud: Das Freudenhaus im Mittelalter [The Brothel in the Middle Ages]: In der stat was gesessen / ain unrainer pulian … In: Albrecht Classen (Hrsg.): Sexuality in the Middle Ages and Early Modern Times. New Approaches to a Fundamental Cultural-Historical and Literary-Anthropological Theme. Berlin 2008, S. 715-750.
Jan Willem Huntebrinker: »Fromme Knechte« und »Garteteufel«. Söldner als soziale Gruppe im 16. Und 17. Jahrhundert. Konstanz 2010.
Metzger, Christof (Hrsg.): Daniel Hopfer. Ein Augsburger Meister der Renaissance. Eisenradierungen, Holzschnitte, Zeichnungen, Waffenätzungen [Katalog zur Ausstellung der Staatlichen Graphischen Sammlung München. München, Pinakothek der Moderne, 5.November 2009 bis 31.Januar 2010]. Berlin u.a. 2009.
Opitz, Claudia: Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte. Tübingen 2005.
Rogg, Matthias: „Wol auff mit mir, du schönes weyb“. Anmerkungen zur Konstruktion von Männlichkeit im Soldatenbild des 16.Jahrhunderts. In: Karen Hagemann / Ralf Pröve (Hrsg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S. 51-73.
Rogg, Matthias: Landsknecht und Reisläufer: Bilder vom Soldaten. Ein Stand in der Kunst des 16. Jahrhunderts. Paderborn u.a. 2002.
Autorin: Rebekka Berg