Welten – Wege – Wendepunkte

Podcastserie zum 300-jährigen Weihejubiläum der Altstädter Kirche in Erlangen

Im Jahr 2021 jährt sich das Weihejubiläum der Altstädter Kirche in Erlangen zum 300. Mal. Am 14. August 1706 wurde der Vorgängerbau der Kirche durch einen Brand zerstört und 1721 der Neubau im Beisein von Markgraf Christian Ernst geweiht. Die Podcastserie liefert anhand exemplarischer Objekte Perspektiven auf die Geschichte der Altstädter Kirche und stellt Bezüge zur Erlanger Stadtgeschichte, aber auch zu globalen Kontexten her.

Über das Projekt

Im Rahmen eines Praktikums am Institut für Kunstgeschichte der FAU wurde im Wintersemester 2020/21 eine virtuelle Ausstellung anlässlich des 300-jährigen Weihejubiläums der FAU konzipiert und umgesetzt. Die Lehrveranstaltung fand in Kooperation mit der Altstädter Kirche und dem Erlanger Stadtmuseum statt.

Die Podcastserie wurde unter dem Titel „Welten – Wege – Wendepunkte“ konzipiert. Die Studierenden haben diesen Titel gemeinschaftlich aus der Arbeit an ihren Objekten entwickelt und die Podcastserie in drei Sektionen aufgebaut.

Zur Sektion I: Wendepunkte

Die Sektion widmet sich der Baugeschichte der Altstädter Kirche. Hier wird anhand exemplarischer Beispiele die Geschichte der Vorgängerbauten, der Zerstörungen und Brände erzählt.

Zur Sektion II: Welten

Auch wenn der Bau der Altstädter Kirche sehr homogen und einheitlich anmutet, ist er keinesfalls aus einer rein lokalen Perspektive zu verstehen. Globale Bezüge, transnationale- und -kulturelle Austauschprozesse und die Mobilität von Menschen und Ideen spielen eine zentrale Rolle für das, was wir heute in der Altstädter Kirche sehen – und das, was wir nicht mehr sehen. Die Sektion möchte zeigen, wie in dem Bau Objekte aufeinandertreffen, Ideen und Materialien aus verschiedenen Welten zusammenspielen und welche Geschichten die Objekte über die Genese der Altstädter Kirche erzählen.

Zur Sektion III: Wege

Diese Sektion befasst sich mit Objekten, welche ihren Weg in den Innenraum der Altstädter Kirche fanden, heute allerdings nicht mehr dort zu sehen sind. Der Innenraum unterlag, wie aus den Forschungen von Bernd Nürmberger ersichtlich wird (Nürmberger 1996), mehrfachen Umgestaltungen. Heute präsentiert er sich, wie bereits angesprochen, sehr klar und homogen. Allerdings sind einige Objekte, die vormals im Innenraum zu finden waren, im Laufe der Zeit entfernt worden.

Für die Podcastserie wurde eine Auswahl von 10 Objekte getroffen, anhand derer die Studierenden die Geschichte der Altstädter Kirche über die Jahrhunderte hinweg erzählen. „Pate“ für diese Idee ist das umfangreiche Projekt „A History of the world in 100 Objects“ des ehemaligen Direktors des British Museum, Neill MacGregor – eine Podcastserie, die als Kooperation zwischen der BBC und dem British Museum entstand und die es sich zum Ziel macht, die Geschichte der Menschheit anhand von 1000 Objekten nachzuzeichnen.

Für die Studierenden sollte eine solche Herangehensweise Wege eröffnen, „Ihr“ Objekt ins Zentrum der Überlegungen zu stellen und Fragestellungen „am Objekt“ zu entwickeln. Es galt, nicht nur bereits vorhandene Literatur zur Altstädter Kirche nachzuerzählen, sondern mit kunsthistorischen Methoden neue Fragestellungen auf bereits Bekanntes zu entwickeln.

Als Format wurde für die virtuelle Ausstellung in der Diskussion mit den Studierenden das der Podcastserie gewählt. Kleine Gruppen von 2-3 Studierenden entwickelten jeweils ein gemeinsames Podcast, das man sowohl in der Ausstellung als auch in der Kirche oder zu Hause anhören kann. Gemeinschaftlich wurde der Titel „Welten –Wege – Wendepunkte“ erarbeitet, der auf die bewegte Geschichte der Kirche, die zweimalige Zerstörung des Baus, aber auch auf die ereignisreichen Objektbiographien und die globalen Bezugspunkte verweist. So liefert etwa das Podcast über das Elfenbeinkruzifix, das sich heute in der Sakristei befindet, auch einen kurzen Abriss zur Bedeutung des Elfenbeinhandels in der Frühen Neuzeit.

Ein dreidimensionales Bild der Hl. Elisabeth

Ein Blogbeitrag von Lea Jedynak, 18.4.2021

Vor einigen Wochen machte sich die gotische Skulptur der Hl. Elisabeth aus der Altstädter Kirche auf ihren Weg, um im Zuge der Ausstellungsvorbereitung des Erlanger Stadtmuseums digital erfasst zu werden. Hierfür wurde sie in die Hände von Kevin Becker übergeben, einem Mitglied von BIRNE7, der mehrere 3D-Scans von unserer Hl. Elisabeth anfertigte.

Die gemeinnützige Organisation aus Erlangen „BIRNE7“ entwickelt gemeinsam mit Betroffenen, Entwicklern und Akteuren aus Industrie, Forschung und Politik Lösungen für alltägliche Probleme von Menschen mit Behinderung. Mithilfe von neuen technischen Entwicklungen stehen sie für eine barrierefreie, vereinfachte Teilhabe am kulturellen, selbstbestimmten und digitalen Leben ein. Da der Verein Menschen, Technologie und Innovation verbindet, lag eine Kooperation nahe. Nicht zuletzt wurde bereits mit dem Erlanger Stadtmuseum das Projekt „Museum Inklusiv“ ins Leben gerufen, welches zum Ziel hat, die Ausstellung “Barriere Sprung” durch verschiedenste 3D-Scan-Verfahren sowie 3D-Drucke für Menschen mit Sehbehinderung erfahrbar zu machen. 

Die Skulptur der hl. Elisabeth während eines 3D-Scans und die erzeugte Datei

Auf dieser Zusammenarbeit aufbauend, wurde nun auch die etwa 72cm große Figur der Hl. Elisabeth mittels eines sogenannten „EinScan Pro HD“ gescannt. Es handelt sich um einen multifunktionalen Handscanner, der hochauflösende dreidimensionale Bilder von Objekten anfertigt. Dabei können durch unterschiedliche Positionierungsmethoden sowohl der Scanner als auch das Objekt selbst bewegt werden. Unsere Elisabeth musste für dieses Verfahren im Liegen eingescannt sowie komplett ausgelichtet werden. Nachdem Kevin Becker innerhalb einer Stunde drei Scans durchgeführt hatte, wurden die 3D-Scandaten im nächsten Schritt mithilfe einer Scan-Software zusammengesetzt und ausgebessert. Durch diese Datennachbearbeitung, d.h. das Glätten, Schärfen usw., wurde ein hochwertiger 3D-Scan generiert. Am 23.03.21 war es dann soweit: Herr Becker stellte uns die Ergebnisse der 3D-Elisabeth vor und sie kann sich eindeutig sehen lassen! Der minutiöse Scan ermöglicht es nicht nur Details an der Skulptur zu erfassen, sondern sie auch von allen Winkeln betrachten zu können. Wie der 3D-Scan in die Ausstellung „Welten – Wege – Wendepunkte“ im Stadtmuseum eingebunden wird, können Sie ab September 2021 persönlich herausfinden…

Zoom-Meeting während der Corona-Pandemie

Die zunehmenden Einschränkungen der Pandemie haben die Arbeit am virtuellen und analogen Ausstellungsprojekt immer wieder zurückgeworfen. Anders als geplant, war nicht einmal der gemeinsame Besuch der Kirche möglich. Die Objekte konnten nicht im Original studiert werden, die Bibliothek war über lange Strecken des Semesters geschlossen und alle Einheiten der Lehrveranstaltungen fanden online über Zoom statt.

Trotz des online-Formats waren die Sitzungen produktiv, die Studierenden haben sehr gut zusammengearbeitet und die Ergebnisse des Praktikums sind erfreulich! Zwar musste die Ausstellung wegen der Pandemie-bedingten Museums-Schließung schließlich in den Herbst 2021 verschoben werden. Die Podcastreihe wurde von den Studierenden trotz aller Widrigkeiten mit dem Ende des Wintersemesters 2020/21 fertiggestellt.

Die Lehrveranstaltung des Instituts für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg fand in Kooperation mit dem Erlanger Stadtmuseum und der Altstädter Kirche statt. Ziel war es, den Studierenden in einem Praktikum die Möglichkeit zu geben, mit Originalen zu arbeiten und ein Ausstellungskonzept in Kooperation mit den beteiligten Institutionen zu erarbeiten.

Die von den Studierenden erarbeiteten Inhalte und Fragestellungen der Podcasts liefern das Ausgangsmaterial für eine Ausstellung, die ab September 2021 im Stadtmuseum zu sehen sein wird. Die virtuelle und die analoge Ausstellung sind das Ergebnis einer experimentellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. Die Studierenden haben nicht nur „ihre“ Objekte ausgewählt, sondern auch eigenständig Fragestellungen entwickelt sowie das Konzept und den großen Rahmen erstellt.

Die Pandemie hat die Umsetzung der Podcastserie und der Ausstellung im Museum jedoch zeitlich auseinandergezogen, so dass die Podcasts nun bereits im April 2021 online gehen, die Ausstellung jedoch im September 2021 starten wird. Die Arbeit mit den Originalen war aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht möglich.

Link zur Ausstellungswebsite des Erlanger Stadtmuseums

Die Podcastserie wurde in Kooperation mit der Altstädter Kirche und dem Erlanger Stadtmuseum umgesetzt.

Peter Baumann hat uns Zugang zu den Objekten und dem Material in der Altstädter Kirche verschafft. Die Kolleginnen und Kollegen vom Stadtmuseum haben die Umsetzung der Website mit einer Fotokampagne in der Altstädter Kirche unterstützt.

Unser Dank gilt Peter Baumann, Brigitte Korn, Sandra Kastner, Sonja Kammerlander, Andreas Thum, Matthias Kutsch und Erich Malter!

Die Podcasts

Ein Podcast von Janne Busch und Lea Jedynak

Sonntags hält Pfarrer Dr. Baumann seine Predigt von der Kanzel des Altars in der Altstädter Kirche Erlangen. Der Podcast erläutert die besondere Bau- und Funktionsgeschichte des Altars im Zuge der Reformation in Erlangen. Außerdem werfen wir einen genauen Blick auf die Paulusfigur – sowohl auf die Geschichte des Heiligen als auch auf spannende Entdeckungen an der Holzfigur selbst. Für ein besonders authentisches Hörerlebnis können Sie sich den Podcast vor Ort in der Altstädter Kirche anhören. Viel Spaß!

Gesprochenes Wort

Der heutige Kanzelaltar der Altstädter Kirche erweckt einen prachtvollen Eindruck barocker Kunst in Erlangen. Nachdem die Kirche 1706 einem Brand zum Opfer fiel, begann man 1709 mit dem Wiederaufbau und einige Jahre später mit Arbeiten an der Innenausstattung. Im Zuge dessen wurde zwischen 1720 und 1721 im Chor der Kirche der hohe Kanzelaltar von Johann Philipp Göbel, nach Vorlagen von Johann David Räntz, errichtet.

Die Kanzel schwebt über dem Altar, sodass Wort und Sakrament einander zugeordnet sind. Der Gottesdienst bestehe aus Kommunikation und sei ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und dem Menschen. Analog dazu sei die Predigt das gemeinsame Werk von Prediger und Gemeinde. Durch die Reformation kam der Predigt und somit auch der Kanzel eine höhere Bedeutung zu. Ein wichtiges Argument für das Einbauen der Kanzel in den Altaraufbau war das Bemühen, ein optimales Blickfeld zum Prediger von allen Plätzen aus zu erreichen. Der Weg des Wortes zur Gemeinde sollte so verkürzt und die Eindringlichkeit der Verkündigung des Evangeliums gesteigert werden.

Die Kanzel diente aber nicht nur als Ort der Verkündigung des Gotteswortes, sondern fungierte ebenso als politisches Kommunikationsinstrument des Landesherren. So erfolgten von der Kanzel aus Bekanntgaben markgräflicher Verordnungen oder Mitteilungen.

Paulus

Hl. Paulus, Erlangen, Altstädter Kirche

Die Figur Paulus taucht bis heute häufig in der christlichen Bildenden Kunst und insbesondere im Kirchenraum auf. Paulus, mit hebräischem Namen Saulus, wurde vermutlich zwischen 5–10 n. Chr. in Tarsus in der heutigen Türkei geboren. Während er zunächst als Verfolger der Christen umherreiste, wurde er schließlich auf einer Reise nach Damaskus durch eine Vision bekehrt und zum Apostel berufen. Anschließend unternahm er Missionsreisen nach Kleinasien und Europa.

Vom einstigen Verfolger selbst zum Verfolgten geworden, wurde Paulus schließlich während einer Reise nach Rom erneut festgenommen und der Legende nach durch Kaiser Nero um 67 n. Chr. als Märtyrer enthauptet.

Am Kanzelaltar der Altstädter Kirche in Erlangen entdecken wir die Figur rechts außen auf einer Volutenkonsole stehend, in vergoldetem Gewand und mit seinen Attributen, Buch und Schwert, gekennzeichnet. Betrachtet man die Schnitzfigur von der Seite, fällt eine Schräge samt mittigem Loch in Höhe seines linken Unterarmes auf. Diese Stelle wirkt wie abgeschnitten, irritiert und wirft Fragen auf. Auch sein Zeigegestus nach schräg unten ins Leere stellt uns vor ein Rätsel. Wohin deutet Paulus also? Hat er vielleicht früher aus einer anderen Position auf die Kanzel oder den Altar gedeutet? Überlegungen zu diesen und weiteren interessanten Fragen werden im Podcast genauer beleuchtet.

Literatur

  • Bothe, Rolf: Kirche, Kunst und Kanzel. Luther und die Folgen der Reformation. Köln, Weimar, Wien 2017.
  • Die Bibel. Nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel revidiert 2017.
  • Dürr, Renate: Kanzelaltäre zwischen Säkularisierung und Sakralisierung. In: Eva-Maria Seng (Hrsg.): Der Kirchenbau zwischen Sakralisierung und Säkularisierung im 17./18. Jahrhundert und heute, Berlin München, 2013, S. 54–74.
  • Girbert, Elisäus: Pfarrbrief von 1723 (Landeskirchliches Archiv PfA Erlangen)
  • Keller, Hiltgart (Hrsg.): Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. 2. Aufl. Stuttgart 1970, S. 410–416.
  • Lang, Gisela (Hrsg.): Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt 1721–1996: Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. Erlangen 1996.
  • Mai, Hartmut: Der evangelische Kanzelaltar: Geschichte und Bedeutung. Halle (Saale) 1969.
  • Meißner, Helmuth: Kirchen mit Kanzelaltären in Bayern (= Kunstwissenschaftliche Studien 57). München u.a. 1987.
  • Schelter, Alfred: Orte der Verkündigung. Der evangelische Kanzelaltar. In: Jahrbuch des Vereins für Christliche Kunst in München Verein für Christliche Kunst München 26 (2013), S. 72–91.
  • Sitzmann, Karl: Künstler und Kunsthandwerker in Ostfranken. Kulmbach 1983.

Ein Podcast von Nikoleta Csereová, Laura Degenhardt und Selma Hassold

Dieser Podcast beschäftigt sich mit dem ältesten Objekt der Ausstellung: eine der der fünf gotischen Holzskulpturen aus der Altstädter Kirche. In der kleinen Figur, die wahrscheinlich Elisabeth von Thüringen darstellt, spiegelt sich die bewegte Geschichte der Kirche wider.

Ursprünglich als Altarskulptur konzipiert, überlebte sie im Laufe der Jahrhunderte die mehrmalige Zerstörung der Kirche. Schließlich fand sie ihren Weg in den heutigen Bau. Es handelt sich um eines der wenigen noch erhaltenen Ausstattungsstücken der Kirche aus der Zeit vor der Gründung der Neustadt im Jahr 1686. Doch auch an Elisabeth hat der Zahn der Zeit genagt. Dies bezeugen das wurmstichige Holz und die inzwischen gänzlich verschwundene, einst strahlende Farbigkeit.

Um sich mit der faszinierenden Materialität der Skulptur genau auseinandersetzen zu können, hören Sie den Podcast am besten direkt vor Elisabeth in der Ausstellung im Stadtmuseum (ab Herbst 2021) oder vor den anderen vier Holzskulpturen in der Altstädter Kirche!

Elisabeth von Thüringen

Unter den fünf Holzfiguren, die sich in der Altstädter Kirche links vom Kanzelaltar befinden, wird auch die Heilige Elisabeth aus Thüringen dargestellt. 

Elisabeth wurde 1207 als Tochter des ungarischen Königs Andreas II. geboren und wuchs in den Residenzen der thüringischen Landgrafenfamilie auf. In ihrem relativ kurzem Leben war sie karitativ veranlagt: unter anderem gründete sie ein Hospital in Gotha, gab regelmäßig Almosen, verschenkte ihre Kleider und Schmuck und kümmerte sich um Arme und Kranke. Laut der Legende, die sie auch als Helferin der Bedürftigen zeigt, wollte sie Brot an Arme verteilen, dies war ihr aber nicht gestattet. Als sie gefragt wurde, was sie unter dem Tuch im Korb hätte, antwortete sie deswegen, es seien Rosen. Als man in ihren Korb blickte, sah man tatsächlich Rosen. Deswegen wird sie oft in ihrer Heiligendarstellung entweder mit einem Korb voller Rosen oder mit Brot dargestellt.

Es gibt neben diesen Attributen aber auch weitere, wie z.B. im Falle der Altstädter Figur: sie trägt am Kopf eine Krone, ein Gewand auf den Schultern und ein Buch in der Hand.

Holz als Werkstoff in der deutschen Gotik

Bei der Herstellung von Skulpturen wurde Holz in der deutschen Gotik mit Vorliebe verwendet. Anders als Stein konnte das weiche Material leicht von einem Bildschnitzer bearbeitet werden und sein geringes Gewicht ermöglichte die Platzierung auf Altären und beweglichen Andachtsbildern.

Im Süden Deutschlands wurde besonders gerne Lindenholz verwendet. Es handelte sich nicht nur um irgendein Material, sondern um ein kulturelles Medium. Es musste vom Bildschnitzer „respektiert“ werden. Jedes Stück Holz hatte einen eigenen Charakter und konnte mithilfe von Axt, Säge und Schneideeisen zu einzigartigen Strukturen und Silhouetten verarbeitet werden.

Holz konnte außerdem hervorragend bemalt und mit anderen Materialien mit Stofflichkeit versehen werden. Heute ist diese Vielfarbigkeit jedoch oft abhandengekommen. Auch die Oberflächen der Skulpturen der Altstädter Kirche haben ihre ursprünglichen Verzierungen inzwischen verloren, so zum Beispiel im Falle des ursprünglich rot bemalten Mantels von Elisabeth. Besonders auffällig sind stattdessen die vielen kleinen Wurmstichlöcher, von denen das Holz gezeichnet ist.

Die Geschichte der Skulptur

Der Weg der Figuren ist nicht lückenlos dokumentiert, dennoch konnte viel über sie herausgefunden werden. Sie stammen höchstwahrscheinlich aus der ursprünglichen Marienkirche, die 1383 gestiftet wurde. Im Laufe der Zeit fielen ihre Aufstellungsorte immer wieder Zerstörung zum Opfer, jedoch konnten die Figuren glücklicherweise jedes Mal gerettet werden und bekamen nach kurzer Zeit einen neuen Ort zur Bleibe. Während ihrer Zeit in den verschiedenen Kirchenbauten wurden sie oft auch innerhalb des Gotteshauses bewegt. Einige Zeit verbrachten sie auf dem Altar, allerdings fand man sie für einen Teil ihrer Geschichte auch in der westlichen Turmhalle.

Die Figur der heiligen Elisabeth wurde zu dieser Zeit aus ungeklärtem Grund abseits von den anderen in der Läutekammer aufbewahrt. Letztlich stellte man sie an die Nordwand der Kirche, wo sie auch heute noch zu betrachten sind. Die gotischen Figuren der Altstädter Kirche haben eine lange, tragische und interessante Geschichte hinter sich.

Literatur

  • Wilm, Hubert: Die Gotische Holzfigur. Ihr Wesen und ihre Technik. Leipzig 1923.
  • Liebmann, M.J.: Die deutsche Plastik. 1350-1550. Leipzig 1982.
  • Dorn, Ernst: Kunstaltertümer in der Erlanger Altstädter Kirche zu Erlangen. Ein puz, W.A.: Holzfiguren der deutschen Gotik. Leipzig 1922.
  • Praktischer Beitrag zum kirchlichen Heimatschutz. Erlangen 1919.
  • Land, Gisela: Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt 1721-1996. Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. Erlangen 1996.
  • Braun, Helmut u. Scholz, Rüdiger: Spuren des Glaubens. Kirchenschätze im Erlanger Raum. Kat. Ausst. Erlangen. Nürnberg 2004.
  • Baxandall, Michael: The Limewood Sculptors of Renaissance Germany. New Haven/London 1980.
  • Angenendt, Arnold: Figur und Bildnis. In: Kerscher, Gottfried (Hg.): Hagiographie und Kunst. Der Heiligenkult in Schrift, Bild und Architektur. Berlin 1993, S. 107-119.
  • Albrecht, Thorsten u. Atzbach, Rainer: Elisabeth von Thüringen. Leben und Wirkung in Kunst und Kulturgeschichte. Petersberg 2007.
  • Reber, Ortrud: Die Heilige Elisabeth. Leben und Legende. St. Ottilien 1982.
  • Schmoll, Friedrich: Zur Ikonographie der heiligen Elisabeth im 13. bis 16. Jahrhundert. Giessen 1914.
  • Daria Barow-Vissilevitch: Elisabeth von Thüringen. Heilige, Minnekönigin, Rebellin. Ostfildern 2007.

ein Podcast von Anja Elmdust, Inge Schelter und Laura Seidel

Im Turmknopf, der verschlossenen Kapsel auf der Spitze des Turms der Altstädter Kirche, wurde lange Zeit ein besonderes Dokument aufbewahrt. Hören Sie den Podcast dazu beim Umschreiten und Betreten der Kirche – oder gemütlich zu Hause auf dem Sofa.

Die Turmknopfurkunde ist ein Dokument aus der Zeit um 1726, in der von der Geschichte der Kirche, den Einweihungsfestivitäten, sowie der Architektur und den Stiftern die Rede ist. Dieses Objekt wird im Raster des Kurses zu den Wendepunkten gezählt, da sie im Groben von einer wechselhaften Geschichte zwischen der Zeit des ersten Brandes 1632 und der Einweihungsfeier einer komplett neuen Kirche etwa 90 Jahre später berichtet.

Die Schriftquelle berichtet recht aufschlussreich über die Entwicklung der Kirche von der mittelalterlichen bis zur barocken Kirche. Mit den gotischen Holzskulpturen und den Altarfiguren finden aus jeder der besprochenen Kirchen Objekte ihren Weg auch in die neue Kirche.

Geschichte der Kirche

Wie auch für einige andere Objekte ist der 30-jährige Krieg von zentraler Bedeutung. Die wichtigsten Daten sind wohl der erste Brand der Kirche 1632, der begonnene Wiederaufbau 1655 und die weiterführende Ausgestaltung, die bis zum Jahr 1700 andauern sollte.

Die Kirche brannte 1706 nochmals aus, hier sind die wichtigsten Daten die Grundsteinlegung 1709, die vorläufige Einweihung 1721 und das Verfassen des Briefes 1726.

Außenarchitektur/Baugeschichte

Ein weiteres zentrales Thema dieser Weihepredigt ist die Baugeschichte des neuesten Bauwerks, wann was mit welchen finanziellen und materiellen Mitteln gebaut wurde, wo die Grenzen der alten und der neuen Kirche lagen/liegen, und wer die wichtigsten Spender waren. Wichtig ist auch, dass ab dem Bau von 1655 die Kirche nunmehr Dreifaltigkeitskirche genannt wird. Abschließend wird näher auf den Kirchturm eingegangen.

Innenarchitektur

Das letzte Thema befasst sich mit dem Innenausbau der Kirche, hierbei wird auf den Unterschied zwischen katholischen und evangelisch-lutherischen Kirchen eingegangen, der Altar wird kurz beleuchtet und die Emporengestaltung wird erklärt.

ein Podcast von Carla Ehlers, Lea Jedynak und Laura Seidel

Was haben eine kleine goldene Oblatendose, ein Oberst namens Hastver und der 30-jährige Krieg gemeinsam? Nicht wirklich viel, würde man behaupten. Doch wir haben einen genaueren Blick gewagt und schnell stellten wir fest: die Oblatendose ist ein überaus spannendes Objekt!

Sowohl eine gemeinsame Geschichte als auch ein gemeinsamer Weg verbinden die Oblatendose mit Oberst Hastver und dem 30-jährigen Krieg. Dieser Weg führte sie bis nach Erlangen in die Altstädter Kirche.

Bald wird sie sich weiter auf den Weg machen und im Rahmen der Ausstellung im Stadtmuseum von Erlangen zu finden sein, wo man die detailreiche Oblatendose von Nahem bestaunen werden kann. Währenddessen kann der Podcast dazu dienen, mehr über das interessante und weitgereiste Objekt zu erfahren.

Hierfür wird zunächst der Verwendungszweck von Hostiendosen vorgestellt, zwei Vergleichsbeispiele geben dann einen Überblick über die Vielfalt der Objekte und abschließend vervollständigt eine Beschreibung des 30-jährigen Krieges den Weg nach Erlangen sowie die gemeinsame Geschichte.

Funktionen

Oblatendosen/Hostiendosen/Pyxiden (Sg. Pyxis) genannt stammen aus dem katholischen Gebrauch und werden als Aufbewahrungsort für Oblaten, welche das Brot Christi symbolisieren sollen, gebraucht. Es sind in ihrer Größe und im Design variierende Dosen, welche für den liturgischen oder privaten Gebrauch hergestellt werden.

Vergleiche

Diese Oblatendosen können in Sets, mit Patene, ein flacher Teller für die Hostien und Lederfutteral, eine eng der Form angepasste Hülle für die Gegenstände hergestellt werden. Das mehr oder minder kunstvolle Design verrät häufig den Herstellungskontext der Gegenstände.

Die Oblatendose aus der Altstädter Kirche wird mit einer weiteren Dose aus dem GNM in Nürnberg verglichen, beide Dosen sind sich äußerlich ähnlich, stammen aus der etwa gleichen Zeit und dem Ort. Zudem wird mit einer Oblatendose aus Frankreich als Gegensatz verglichen.

Wege

Oberst Hastver und seine Frau Anna Wrangel, deren Namen in die Oblatendose eingraviert sind, gehören mit zu den schwedischen Truppen, welche während des 30-Jährigen Krieges durch das ganze Reich gezogen sind.

Dieser Krieg hat sowohl Nürnberg, wo der Oberst stationiert war, als auch Erlangen mit aller Härte getroffen. Interessant zu sehen ist, welche Wege der aus dem Baltikum stammende Oberst wahrscheinlich zurückgelegt hat und wie sein Leben Auswirkungen darauf hat, dass wir nun in der Ausstellung in Erlangen dieses einzigartige Objekt betrachten können.

ein Podcast von Janne Busch und Verena Krippner

Im Jahr 2015 kam ein unscheinbarer Tischgrill in den Besitz der Altstädter Kirche Erlangens. Hinter dem Objekt verbirgt sich eine bewegende Geschichte, die von Flucht, Vertreibung, vom Ausharren – und letzten Endes – vom Ankommen erzählt. Am besten hören Sie sich den Podcast bei einer gemütlichen Tasse Kaffee oder auf dem Altstädter Kirchenplatz an…

Kirchenasyl in Erlangen

Um Menschen zu helfen, denen eine Ab- oder Rückschiebung in Gefahrensituationen droht, existiert seit Jahrhunderten das sogenannte Kirchenasyl. Im Detail bedeutet das, dass Kirchengemeinden jenen Menschen über einen befristeten Zeitraum Schutz bieten, um eine drohende Abschiebung vorläufig zu verhindern und eine Überprüfung, ein faires Verfahren unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel zu ermöglichen. Auch die Altstädter Kirche gewährte geflüchteten Frauen und Kindern über mehrere Jahre hinweg einen Schutzraum.

Die Frauen im Kirchenasyl der Altstädter Kirche kamen vornehmlich aus Afghanistan, Eritrea oder Äthiopien. Von den 125 Kirchenasylen in Bayern im Jahr 2015 waren in 73 Fällen Eritrea und in 40 Fällen Äthiopien das Herkunftsland. Ein Blick auf die Länder Eritrea und Äthiopien eröffnet gravierende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme und macht deutlich, weshalb so viele Menschen ihre Heimat verlassen und den Fluchtweg trotz enormer Risiken und Gefahren auf sich nehmen.

Merhawits Fluchtgeschichte

Die Frauen im Kirchenasyl der Altstädter Kirche kamen vornehmlich aus Afghanistan, Eritrea oder Äthiopien. Eine von ihnen ist die Eritreerin Merhawit. Nach dem Tod ihrer Eltern flieht sie gemeinsam mit ihrem Bruder in den Sudan und von dort aus weiter nach Libyen. Ihr erster Fluchtversuch mit dem Boot über das Mittelmeer scheitert. Merhawit wird von der libyschen Polizei aufgegriffen, misshandelt und kommt ins Gefängnis.

Der zweite Fluchtversuch gelingt, sie kommt in Sizilien an. Stark unterernährt und krank lebt sie dort auf der Straße. Die Situation wird zunehmend lebensbedrohlich, sie hat ständig Angst vor Übergriffen und entscheidet sich deshalb für eine Weiterreise nach Deutschland. Als Merhawit bei Heidelberg von der Polizei aufgegriffen wird, ist sie 18 Jahre alt. Weil ihr die Abschiebung nach Italien droht, landet sie schließlich im Kirchenasyl der Altstädter Kirche in Erlangen.

Kaffeezeremonie

Gemeinsam mit einigen Helfern kamen die Geflüchteten aus Äthiopien und Eritrea im Kirchenasyl der Altstädter Kirche Erlangen regelmäßig zu einer traditionellen Kaffeezeremonie zusammen. Das soziale und sinnliche Ritual sorgte für ein Stück Heimatgefühl.

Traditionell werden die frischen grünen Kaffeebohnen von Frauen gewaschen, trocken gerieben und in einer flachen Metallschale auf glühenden Holzkohlen oder in kleinem Topf geröstet. Anschließend werden die Bohnen mit einem Mörser zermahlen und in der Jabana, einer Tonkanne mit langem Hals und rundem Boden, mit heißem Wasser aufgekocht. Je nach Region werden Gewürze wie Nelken, Salz oder Milch mit zugegeben. Schlussendlich wird der Kaffee in kleine Porzellanschälchen gegossen und meist mit Zucker getrunken.

Da der Kaffee in drei Durchgängen aufgekocht wird und es sich gehört mindestens drei Tassen zu trinken, dauert die Zeremonie seine Zeit. Währenddessen können Gesellschaft und Geschmack genossen und Sorgen oder Probleme besprochen werden.

Danke

Unser Dank gilt Frau Elsa Hagos, Frau Dr. Elisabeth Preuß sowie Herrn Dr. Peter Baumann, mit denen wir so offene und freundliche Interviews führen durften.

Literatur

ein Podcast von Carla Ehlers und Saskia Zachau

Kunstwerke aus Elfenbein waren im Europa der Frühen Neuzeit als Luxusgegenstände weit verbreitet. Mittlerweile ist der Elfenbeinhandel illegal – das Material wird nicht mehr im Kunsthandwerk verarbeitet.

Vor etwa 335 Jahren durchlebte das „weiße Gold“ jedoch eine lang anhaltende Blütezeit. In Nürnberg wurden pro Jahr circa 1000 Elfenbeinstoßzähne verarbeitet, darunter das Elfenbeinkruzifix der Altstädter Kirche.

Dieser Podcast geht auf das besondere Material sowie seine Reise nach Europa ein und ergründet den außergewöhnlichen Stil der Christusfigur.

Die Stiftung

Das Elfenbeinkruzifix wurde von dem kaiserlichen Notar Andreas Schmalzing gestiftet, der von 1652 bis 1707 lebte. 1699 wurde Schmalzing wegen Betruges zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt, weshalb die Stiftung des Kruzifixes teils als Buße ausgeführt wurde. Er stiftete das Kreuz, nachdem 1706 ein Stadtbrand die Kirche zerstörte.

Das Kruzifix befindet sich heute in der Altstädter Kirche in Erlangen.

Vergleiche

Der nüchterne Stil des Altstädter Elfenbeinkruzifixes setzt sich deutlich von dem barocken Stil anderer zeitgenössischer Elfenbeinfiguren ab. Vergleichbar ist die Christusfigur von Georg Petel, einem bekannten bayerischen Bildhauer des früh-barocken 17. Jahrhunderts. Die Körperhaltung von Petels Elfenbeinfigur wirkt aufgrund der schrägen Hüfthaltung und den angewinkelten Beinen dynamischer. Die gesamte Körperdarstellung entspricht eher einer naturnahen Wiedergabe des Körpers.

Auch die Mimik des Gekreuzigten ist dynamischer und emotionaler: Die Mundwinkel sind stark nach unten gezogen, die Augen sind nach oben gedreht, während die Augenbrauen nach oben zusammengezogen sind.

Die Stilabweichung des Altstädter Kruzifixes könnte mit der protestantischen Prägung der Kirche begründet werden. Liturgische Gegenstände in der protestantischen Kirche waren im Gegensatz zu katholischen Gegenständen oft schlichter.

Das Material

Die Arbeit mit Elfenbein erfreute sich insbesondere im 17. Jahrhundert großer Beliebtheit. Allein in Nürnberg wurden um 1678 pro Jahr 1000 Stoßzähne verarbeitet.

Die marktführende Kraft, welche die Verarbeitung im europäischen Raum im großen Stil ermöglichte, war die 1621 gegründete Dutch West India Company aus den Niederlanden. 1699 bis 1725 wurden über 30 Tausend Stoßzähne exportiert, meistens auf Schiffen, die direkt zwischen der afrikanischen Westküste und den Niederlanden fuhren. Also etwa 210 Tonnen binnen 30 Jahre. Die Quelle des Guts für den Export von Stoßzähnen lag an der afrikanischen Westküste, dem Senegal Fluss bis hin zu Kamerun.

Aufgrund der protestantischen Prägung der Stadt zu der Zeit gab es in Nürnberg nicht genug Abnehmer für vollplastische Elfenbeinstatuen und anderer religiöser Gegenstände außer Kruzifixe. Daher wurde Elfenbein hauptsächlich in andere Gegenstände verarbeitet wie zum Beispiel Dosen, Büchsen, Kämme, Schachfiguren, aber auch mit anderen Materialien kombiniert und als Einlegearbeiten verwendet. Insbesondere eignete sich das Material für feine und detaillierte Bearbeitung, womit es vor allem gern für Kunstdrechselarbeiten verwendet wurde.

Literatur

  • Braun, Helmut. Scholz, Rüdiger: Spuren des Glaubens: Kirchenschätze im Erlanger Raum. Erlangen 2005. S. 221
  • Feinberg, Harvey M.; Johnson, Marion: The West African Ivory Trade during the Eighteenth Century. In: The International Journal of African Historical Studies Band 15. Boston University African Studies Center 1982. S. 435-453.
  • Herzog, Erich,  Reß, Anton:  Elfenbein, Elfenbeinplastik. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1957), Sp. 1307–1362; in: RDK Labor, URL: <http://www.rdklabor.de/w/?oldid=93178> [14.12.2020].
  • Schiedlausky, Günther: Elfenbein. In: 1962: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 2017. S.186-187.
  • Timann, Ursula: Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt: 1721-1996. Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. FS Erlangen, 1996.

ein Podcast von Anja Elmdust, Andreas Morth und Inge Schelter

Das Bildnis von Martin Luther befindet sich derzeit im Treppenhaus des Turms der Altstädter Kirche. Dieses ist nicht immer für das Publikum geöffnet. Den Podcast hört man daher am besten zu Hause – oder ab September 2021 in der Ausstellung des Erlanger Stadtmuseums.

Die Idee unseres Podcast ist es, einen fiktiven, fragenden Dialog zwischen einem Handwerksmeister und der Pfarrerin der Altstädter Kirche nachzuerzählen. Besagter Handwerker hält auf dem Weg zum Turm vor dem Lutherbild inne und richtet verschiedene Fragen an die ihn begleitende Pfarrerin. In der Einstiegsfrage geht es darum, warum Luther auf dieser Darstellung anders als in den geläufigen erscheint. Daraufhin erläutert die Pfarrerin, welche Rolle die Werkstatt Lucas Cranach in Wittenberg bei der Entstehung des sogenannten Luther-Images spielte.

Aufmerksamkeit erweckt auch die Lutherrose, die zu Stationen und Weggefährten Luthers führt (Vorbild für das Siegel und Bezugnahme auf die Zeit als Mönch bei den Augustinern, Auftrag zum Anfertigen des Siegelringes von Johann Friedrich I. Kurfürst von Sachsen, überreicht auf Luthers Rückreise vom Reichstag zu Augsburg und spätere Verwendung der Lutherrose von Cranach in den Luthergemälden).

Des Weiteren bekundet der Handwerker Interesse an den Inschriften, wobei zunächst der Lebküchner Christoph (J)Heckel als frommer Stifter thematisiert wird. Bei dem Versuch die lateinische Inschrift zu entziffern, übersetzt die Pfarrerin diese und beide zeigen daraufhin ihre Empörung über die antipäpstliche Inschrift, die ein Licht auf die Konfrontation der Konfessionen in der damaligen Zeit wirft. Damit erklären sich auch die unterschiedlichen Aufhängungsorte innerhalb der Kirche.

ein Podcast von Andreas Morth und Saskia Zachau

Die drei Werke, um die es in diesem Podcast geht, waren jahrelang im Sezierraum des Altstädter Friedhofs untergestellt. Neben den Wegen der Gemälde berichtet dieser Podcast über die dargestellten Bildinhalte und stellt diese mit anderen bekannten Werken gegenüber. Auch wird auf die Tradition der Rezeption Alter Meister eingegangen.

Wie kommen die Bilder in das Stadtmuseum?

Wie genau die Gemälde nach Erlangen in die Altstädter Kirche gelangten ist nicht gewiss, jedoch war der Maler Johann Adam Weber in der Umgebung tätig. Sein Leben ist so gut wie nicht dokumentiert und Daten zur Geburt sind nicht vorhanden, vermutet wird jedoch, dass er in Spalt, ca. 50 km von Erlangen entfernt, das Licht der Welt erblickte. Nur einige signierte Werke geben Aufschluss wann und wo er zu Lebzeiten tätig war.

Die drei Werke, um die es in diesem Podcast geht, waren ursprünglich Teil der Altstädter Kirche, bis sie in den Sezierraum des Altstädter Friedhofs gelangten und in den 1960er Jahren restauriert wurden. 1970 wechselten sie dann abermals ihren Standort und wurden an das Erlanger Museum übergeben. Dort erhielten sie eine weitere, gründlichere Restaurierung.

Berühmte Vorbilder

Das einzige der drei Werke mit Signatur zeigt Christus in Emmaus und insbesondere der Hell-Dunkel-Kontrast hebt bei diesem die Hauptmerkmale hervor. Als Vergleichswerk wird immer wieder ein sehr berühmtes Werk genannt: Das Emmausmahl von Caravaggio.

Webers Anbetung der Hirten zeigt die Geburt des Christuskindes und die Anbetung durch die Hirten. Durch die ähnliche Motivik und Darstellung der Szene ist das gleichnamige Gemälde des niederländischen Malers Gerrit van Honthorst ein geeigneter Vergleich. Beide Bilder zeigen die Maria, in den Farben der himmlischen und irdischen Liebe gekleidet, zärtlich auf das Christuskind blickend. Von Christus selbst geht ein Strahlen aus, welches den Hell-Dunkel-Effekt unterstreicht. Christus ist nicht nur die einzige Lichtquelle im Bild, sondern symbolisiert ebenfalls das spirituelle Licht der Welt.

Das letzte der drei Werke, die Pietà, unterscheidet sich in Stil und Farbigkeit stärker von den beiden vorangegangenen. Es zitiert den Kupferstich der Pietà di Caprarola von Annibale Carracci. Weber griff aus dem Vorbild nur die beiden Hauptfiguren heraus und zeigt die leidende Mutter mit dem toten Sohn.

Die Alten Meister im 19. Jahrhundert

Es ist ungewiss, ob Weber jemals Kopien oder Originale der Vergleichswerke gesehen hat, doch war das Rezipieren Alter Meister im 19. Jahrhundert weit verbreitet.

Es ist anzunehmen, dass Weber eine Ausbildung als Maler genossen hat, da er sich mit verbreiteten Motiven und Darstellungen auskannte. Möglicherweise reiste er nach Italien oder in die Niederlande, um sich Werke anzusehen und Kopien anzufertigen. Künstlerreisen waren üblich und vor allem für Werkstattbetriebe war es wichtig eine ausreichende Sammlung von Kopien vor Ort zu haben. Diese dienten als Inspiration und/oder Referenz für weitere Werke.

Aber nicht nur für die Werkstatt oder den eigenen Gebrauch wurden Kopien bekannter und weniger bekannter Werke angefertigt. Teils schickten auch Auftraggeber die Künstler ins Ausland, um dort Kopien von Werken zu erstellen.

Ob Weber in einer Werkstatt tätig war, gereist ist und Originale studierte; aus seinen Werken geht hervor, dass er sich eingehend mit Stilen anderer Maler und Motiven der Zeit auseinandersetzte und diese auf eigene Art wiedergab.

Literatur

  • Engelhardt, Heunoske, Lehmann (Hrsg.): Die Kunstsammlung des Stadtmuseums Erlangen. Bestandskatalog Bd. 1. Stadtmuseum Erlangen 2015. S. 84-85.
  • Giorgi Rosa: European Art of the Seventeenth Century. Getty Publications 2008. S, 347.
  • Gregori, Mina: Christ in Emmaus. In: The Age of Caravaggio. Metropolitan Museum of Art 1985. S.276, 308.
  • Kitson, Michael: The Complete Paintings of Caravaggio. Minnesota 1969. S.101.
  • Loh, Maria H.: New and Improved: Repetition as Originality in Italian Baroque Practice and Theory. In: The Art Bulletin Bd. 86, No. 3. CAA 2004. S. 477-504.
  • Mader, Felix (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken (= Die Kunstdenkmäler von Bayern 5). 11 Bde., Bd. 1: Stadt Eichstätt. Mit Einschluss der Gemeinden Marienstein, Wasserzell und Wintershof. München 1924. S.405.
  • Spezzaferro, Luigi: The Documentary Findings: Ottavio Costa as a Patron of Caravaggio. In: The Burlington Magazine 1974 Bd. 116, No. 859. Burlington Magazine Publications Ltd. 1974. S. 586.

ein Podcast von Nikoleta Csereová, Selma Hassold und Verena Krippner

Dieser Podcast beschäftigt sich mit vier großen Chorfenstern, die zwischen den Jahren 1901 und 1905 von Erlanger Bürgern und Konfirmand*innen der Altstädter Kirche gestiftet wurden. Angefertigt wurden sie von der Münchner Glasmalereiwerkstatt des Künstlers Gustav van Treeck. Bis in die 1960er Jahre befanden sich die Fenster in der Kirche, dann wurden sie allerdings bei Renovierungsarbeiten entfernt, weil sie den Raum zu sehr verdunkelten und nicht mehr als modern angesehen wurden. Seitdem galten die Fenster als verschollen.

Erst mehrere Jahrzehnte später fand man bei der Inventarisierung des Dachbodens der Kirche zwei Fenster wieder: die Kreuzigung von Jesus und Mose mit den Gesetzestafeln.

Wenn Sie mehr über die Geschichte der Fenster, den Künstler und Glasmalerei um 1900 erfahren wollen, hören Sie mal rein! Ob in der Ausstellung direkt vor dem Fenster oder Zuhause beim Aufräumen Ihres Dachbodens – wer weiß was Sie alles entdecken könnten!

Bewegung im Kirchenraum

Dass Objekte oder gar das gesamte Inventar in einem Kirchenraum bewegt, umplatziert oder entfernt werden, ist nichts Ungewöhnliches. Dies geschah auch im Falle der Fensterscheiben aus dem frühen 20. Jahrhundert. Zwischen den Jahren 1901 bis 1912 wurden insgesamt zwölf Fenster durch Spenden für die Altstädter Kirche angeschafft. Kaum ein halbes Jahrhundert später, in den Jahren 1960-1961, wurden sie bei einer Kirchenrenovierung wieder entfernt. Lange blieben sie verschollen, bis zwei bei einer Inventarisierung des Dachbodens der Kirche wiedergefunden wurden. Diese Fenster kann kann man demnächst in der Ausstellung im Stadtmuseum betrachten.

Eine der Fensterscheiben zeigt die Kreuzigung Christi, die andere Moses mit den Gesetzestafeln. Moses wird hier als bärtiger Mann in langem Untergewand und weißem Mantel dargestellt. Er trägt die zwei steinernen Gesetzestafeln, auf denen römische Ziffern stehen. Den Hintergrund bildet ein dunkelblauer Himmel mit Wolken, der steinerne Weg, auf dem Moses entlang schreitet, und im kleinen Detail der Berg Sinai, wo Moses die Gesetzestafeln aus der Hand Gottes empfangen hat. Die Dramatik der Szene wird durch das ernste Antlitz Moses‘, seinem langen wallenden Bart sowie von dem flatternden Gewand verdeutlicht. Solche Dynamik der Ausdruckskraft und geschickte technische Ausführung dient als Exempel für das Können der Glasmaler zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die Werkstatt van Treeck

Der Glasmaler Gustav van Treeck wurde 1854 geboren und lernte ab 1870 in Nürnberg die Technik der Glasmalerei. Die Werkstätte van Treeck befindet sich in München und besteht auch heute noch unter dem Titel der „Bayerischen Hofglasmalerei“.

Obwohl die Arbeit in Glas zumeist aus den gleichen drei Bestandteilen zusammengesetzt ist – Farbglas, Malfarbe und Bleiruten – veränderte sich die Technik natürlich im Laufe der Jahrhunderte immer weiter. Während die Glasmalerei um 1500 in Nürnberg noch ein sehr beliebtes Medium war, geriet sie in der Zeit des Barocks in Vergessenheit.

Die Werkstätte van Treeck war nun Teil der Wiederentdeckung und Weiterentwicklung der Glasmalerei im 19. Jahrhundert. In der Epoche des Historismus wurde diese wieder zu einem wichtigen Gestaltungselement der Architektur. Besonders in München entstanden viele neue Glasmalereifirmen und auch im Rest des damaligen deutschen Reiches verbreitete sich die Technik. Die Werkstätten arbeiteten nun zunehmend international. So auch die Werkstatt von Gustav van Treeck. Der Künstler reiste schon früh in Länder wie Belgien, die Niederlande und die Schweiz, um sich mit der Glasmalerei dort auseinanderzusetzen. Neues Material und neue Techniken kamen außerdem aus Frankreich, England und den USA.

Glasmalerei um 1900

Um 1900, also in der Zeit des Historismus, war die deutsche Glasmalerei besonders vielfältig. Die unterschiedlichen Techniken und Stile ließen das Kunstgewerbe florieren.

Darstellungen mit vielen goldenen Verzierungen, wulstigem Ornament und gebauschten Gewändern fallen den Stilkategorien Barock und Rokoko zu. Daneben gibt es Entwürfe mit strengem Architekturrahmen und starker Farbigkeit, die der Neugotik zugeordnet werden. Einen anderen Weg zeigen die Entwicklungen des Jugendstils auf, mit verträumter Mimik der Heiligen und pastelligen Farben darf das typisch florale Ornament nicht fehlen.

Die vielen unterschiedlichen Einflüsse und das Bedienen aus anderen Epochen, hinterließen dem Historismus keinen guten Ruf, man bestritt in der Nachkriegszeit die Kunstfähigkeit der Glasmaler, bezeichnete die Werke als „Kitsch“ und warf ihnen Uneigenständigkeit vor. In vielen Kirchen verschwinden die Glasmalereien bei Renovierungsarbeiten im 20. Jahrhundert – so auch in der Altstädter Kirche Erlangens.

Mit dem Jubiläum rücken nun die Werke und die Diskussion um den weiteren Umgang mit den Objekten wieder in den Fokus .

Literatur

  • Anwander-Heisse, Eva: Glasmalereien in München im 19. Jahrhundert, München 1992.
  • Braun, Helmut u. Scholz, Rüdiger: Spuren des Glaubens. Kirchenschätze im Erlanger Raum. Kat. Ausst. Erlangen. Nürnberg 2004.
  • Butts, Barbara u. Hendrix, Lee: Painting on Light: Drawings and Stained Glass in the Age of Dürer and Holbein. Kat. Ausst. Saint Louis u. Los Angeles 2000, URL: http://www.getty.edu/publications/virtuallibrary/089236579X.html (Stand: 15.02.2021).
  • Fuchs, Friedrich u. a.: Art. „Glasmalerei“. In: Lexikon für kirchliches Kunstgut. Regensburg 2010, S. 78-80.
  • Land, Gisela: Die Dreifaltigkeitskirche Erlangen-Altstadt 1721-1996. Festschrift zur 275-Jahrfeier des Wiederaufbaus. Erlangen 1996.
  • Ruß, Norbert: Die Glasmalerei des Historismus in Bamberg. Bamberg 2011.
  • Weinrich, Matthias: Friedrich Wilhelm Wanderer – Maler, Zeichner, Kunstschriftsteller. In: URL: http://www.nuernberginfos.de/bedeutende-nuernberger/friedrich-wanderer.html (Stand:04.01.2021).
  • Über uns. Seit 1887 Ihr Partner für Mosaikkunst und Glasmalerei in der Architektur. In: URL:https://www.hofglasmalerei.de/uber-uns (Stand: 15.02.2021).
  • Vollmer, Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler. Von der Antike bis in die Gegenwart Bd. 33. Leipzig 1939.