2014 – Schottland
Die Schottland „Edinburgh/Glasgow“- Exkursion vom 5. bis 10. September 2014
Im Rahmen des Hauptseminars „Edinburgh und Glasgow – Kunst und Architektur “ unter der Leitung von Prof. Dr. Dickel und mit Unterstützung und Teilnahme von Gasthörern.
Freitag, 5. September | Edinburgh
Schon bei der Busfahrt in die City erlebten wir den Charme der Hauptstadt Schottlands: die alten Häuser, die vielen Brücken, die den alten und den neuen Stadtteil miteinander verbinden, sowie die Burg im Mittelpunkt – alles schien sich gut zu ergänzen. Selbst der Regen passte ins Bild der Stadt und konnte die Stimmung nicht trüben. Wir begannen mit einem Abendspaziergang entlang der „High Street“, direkt durch die Altstadt und hinauf zum „Edinburgh Castle“, auf dem einen Monat zuvor die Highland-Games abgehalten worden waren.
Samstag, 6. September | Edinburgh
Die „City Chambers“, das Rathaus der Stadt Edinburgh, das 1753-61 von John Adam erbaut wurde, waren unser erstes Ziel. Wir fühlten uns an französische und italienische Palastbauten erinnert.
Daraufhin überraschte uns ein ökonomisch versierter Gasthörer mit einem spontanen Referat über Adam Smith, dessen Statue sich vor den „City Chambers“ befindet. In der Kathedrale „St. Giles“ sahen wir die 1909-1911 für den „Order of the Thistle“ im neugotischen Stil erbaute „Thistle Chapel“ mit ihrer detailreichen Ausarbeitung des Eichengestühls für die Ritter des ehrenwertesten Orden Schottlands.
Als nächstes stand das „Hollyrood House“, die offizielle schottische Residenz der Queen, auf unserem Plan. Der hohe Besucherandrang erlaubte uns keinen störungsfreien Blick, trotzdem überzeugte die Präsentation der Referentin durch eine genaue Beschreibung. Gleich gegenüber befindet sich das schottische Parlament. Wir freuten uns über eine sehr interessante Tour um das große Gebäude herum und in den Konferenzraum, trafen auf verwinkelte Ecken, bambusartige Fensterverkleidungen, in Stein gemeißelte Poesie und sogenannte „Think Pods“ für die 129 Abgeordneten. Der spanische Architekt Enric Miralles verband hier traditionelle schottische Symbolik, wie das markante Andreaskreuz, mit neuen Materialien.
Als nächstes nahmen wir den Bus zur „New Town“ und liefen von der „Princes Street“ über die „George Street“ zum „Charlotte Square“, um die städtebauliche Situation nachvollziehen zu können und einige Bauten von Robert Adam genauer zu betrachten. Wir lernten den „georgianischen Stil“ kennen, welcher die ursprünglichen Bauten der „New Town“ aus dem 18. Jahrhundert charakterisiert – starke Symmetrie sowie Anleihen aus der griechischen und römischen Architektur zeichnen ihn aus.
Unsere letzte Präsentation wurde an der „National Gallery of Modern Art“ abgehalten. Ein Highlight war hier die „Landform“ von Charles Jencks. Zwei künstliche Seen auf einer grünen Wiese, die wirkten als seien sie gerade erst von „Gottes Hand“ in die Landschaft hinein geformt worden. Außerdem bestaunten wir die „Magical Stones“ von Barbara Hepworth und Henry Moores „Reclining Figure“. Aufgrund der verzerrten Darstellung und der zeitlichen Nähe zum Zweiten Weltkrieg unterstellte man ihm, die vom Krieg gezeichneten Körper nachbilden zu wollen. Allerdings wollte der Künstler ein neues Menschenbild erschaffen und durch die vielen Öffnungen, die der Körper bildet, Verbindungen mit der Natur eingehen.
Sonntag, 7. September | Edinburgh
An einem ruhigen Sonntagmorgen machten wir uns auf den Weg zur „St. Johns Episcopal Church“, wo ein Gruppenfoto mit einem echten „Royal Scotsman“ entstand. Die Kirche im beeindruckenden „Perpendicular Style“ stellte uns auf die Probe, die historischen und historistischen Stil-Merkmale zu erkennen. Vorbei am „Edinburgh Castle“ gelangten wir zum „Sir Walter Scott Monument“ für den berühmten schottischen Dichter, das besonders durch seine immense Höhe auffällt, obwohl es keinem Herrscher gilt.
Gleich daneben befindet sich die „National Gallery of Scotland“, in der wir viele bedeutende Bilder u. a. von Tizian, Raphael, Vermeer, Rubens und Poussin besprachen. Tizians „Diana und Actaeon“, welches nach einer Erzählung aus Ovids Metamorphosen gemalt wurde, hält den Moment des überraschenden Eintreffens Actaeons bei Dianas Badegesellschaft fest. Die verschiedenen Reaktionen der nackten Frauen sowie die symbolischen Motive wurden im Referat erläutert.
Ein weiterer Höhepunkt unseres Museumsbesuches waren „Die sieben Sakramente“ von Poussin. Die Serie von sieben Gemälden, die jeweils ein Sakrament der katholischen Kirche verbildlichen, ist eines der Hauptwerke des französischen Malers. Vor allem die Konzentration des Bildgeschehens auf das Zentrum sowie die Verwendung dramatischer Licht- und Schattenzonen kennzeichnen jedes einzelne Gemälde der Serie. Neben den französischen und italienischen Künstlern lernten wir auch die niederländische Malkunst kennen. Ein Beispiel hierfür ist „Die Schulstunde“ von Jan Steen, der sich die Problematik des Bildungswesens in seinem Land, Mitte des 17. Jahrhunderts, zum Thema gemacht hat. Das Genre-Gemälde faszinierte durch die Unordnung im Schulraum, aber auch durch die Anspielung auf Raffaels „Schule von Athen“. Zudem hatten wir die Möglichkeit einige Landschaftsbilder miteinander zu vergleichen und deren Offenheit bzw. strenge Struktur festzustellen. Wieder einmal merkten wir, was für eine große Bereicherung es ist Gemälde im Original zu sehen. Nur dadurch werden die Details und die Farbgebung ersichtlich, die keine Reproduktion je erreichen könnte.
Montag, 8. September | Glasgow
Mit dem Bus ging es am nächsten Tag nach Glasgow, der größten Stadt Schottlands, in der wir uns auf den Spuren des Architekten Mackintosh bewegten, die Vielfalt der Baustile kennenlernten und diese im historischen Kontext der Handelsstadt betrachteten.
Wir starteten am „George Square“ im Zentrum, welcher nach dem englischen König George III. benannt wurde. Dort befinden sich mehrere Monumente und Statuen bekannter Persönlichkeiten sowie die „City Chambers“ und das „Merchant House“, eines der ältesten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das eine wichtige Rolle in der Geschichte Glasgows als Schiffsbau- und Handelsstadt einnimmt. Auf der gegenüberliegenden Seite betrachteten wir das Rathaus, die „City Chambers“, die durch Symmetrie und den Figurenreichtum an den Balustraden besonders repräsentativ wirken. Am „Royal Exchange Square“ steht heute eines der wohl attraktivsten Museen der Stadt, die „Gallery of Modern Art“.
Das nächste Referat befasste sich mit dem ersten Mackintosh-Gebäude unserer Exkursion: das „Herald-Building“. Das ehemalige Verlags- und Druckereigebäude beherbergt heute Ausstellungen zum Thema Architektur und beherbergt seit 2012 Schottlands Zentrum für Design und Architektur. Nach einer kurzen Lunchpause ging es mit der U-Bahn nach Cowcaddens zu Mackintoshs Hauptwerk, der „Glasgow School of Art“. Dank Herrn Dickels Engagement bekamen wir einen exklusiven Vortrag von Frau Dr. Sarah Lowndes, einer Dozentin an der „School of Art“ und Autorin von „Social Sculptures. The Rise of the Glasgow Art Scene“. In diesem Buch beschäftigt sie sich mit der aktuellen Kunstszene in Glasgow und deren Hintergründen und Entwicklungen im Bezug zur Geschichte der Stadt. Durch ihre Arbeit an der Kunstschule und mit unabhängigen Künstlern konnte sie uns einen strukturierten Überblick geben.
Danach schauten wir uns die Schule selbst an, deren rechter Flügel mit der berühmten Bibliothek im Mai einem schweren Brand zum Opfer gefallen ist. Wir statteten aber auch dem neuen Anbau von Steven Holl einen Besuch ab, dem „Seona Reid Building“, das sich als moderner „White Cube“ mit ausgeschnittenen, zylinderförmigen Kommunikationsräumen von seinem Gegenüber unterscheidet. Die Glaskonstruktion von Martin Boyce im Eingangsbereich greift in komplementären Farben die Glasarbeiten in Mackintoshs Bau auf, zusätzlich wird durch die Reflektion des Sonnenlichts die Raumwahrnehmung im Inneren verändert.
Zurück in der Innenstadt sahen wir die „Lion Chambers“ und das „Hatrack-Building“, die mit ihrer Stahlbetontechnik und vielen Fenstern in die Moderne weisen. Weiter zog es uns zu Mackintoshs „Daily Record Building“, dessen farbenfrohe Fassade über weißen Kacheln für den engen Bauplatz entschädigt. Anschließend gingen wir zum ehemaligen Kaufhaus „Ca d’Oro“, das mit seinen großflächigen Fensteröffnungen und Arkadenbögen im Erdgeschoss die Innenräume mit Tageslicht erfüllt. Gegen Abend besuchten wir das „Riverside Museum of Transport“ (2011), das über 3000 Objekte zur Vergangenheit Glasgows als Handels- und Werftenstadt beherbergt. Die Architektin Zaha Hadid bezieht sich mit der Formengestaltung des Daches auf die schlängelnde Bewegung des Flusses. Zuletzt schauten wir uns noch das „Clyde Auditorium“ vom Architekten Sir Norman Forster an, ebenfalls direkt am Ufer des River Clyde gelegen. Das Konzerttheater erhielt auf Grund seiner Gürteltier-Form den volkstümlichen Namen „The Armadillo“.
Dienstag, 9. September | Glasgow
An unserem letzten Tag begannen wir früh mit Mackintoshs „Scotland Street School“, einem „Brick-Building“ mit signifikanten Treppenhäusern. Auf dem Campus der „University of Glasgow“ sahen wir eine Vielzahl historistischer Gebäude. Besonders beeindruckend war der imposante neugotische Bau mit neobarocken Elementen von Sir G. G. Scott, herrschaftlich auf einem Hügel gelegen. Angeregt von der akademischen Atmosphäre kamen wir bald zur „Hunterian Art Gallery“. Wir wurden herzlich von Lauren Henning, einer Museumsführerin, empfangen, die uns durch die temporäre Mackintosh-Ausstellung führte, mit Informationen über sein Studium an der „School of Art“, seine Tätigkeit als Architekt bei der Firma „Honeyman & Keppie“ und Skizzen seiner bedeutenden Werke. Zu diesem Zeitpunkt haben wir schon fast alle Bauten besichtigen dürfen und konnten sie nun mit den Plänen vergleichen.
Natürlich ließen wir uns die Werke aus der kleinen, aber bedeutenden Sammlung von William Hunter nicht entgehen. Wir sahen unter anderem Koninck, Rembrandt und insbesondere die zweitgrößte Kollektion der „Nocturnes“ von James McNeil Whistler.
Ein Ausflug führte uns in das abgelegene „House for an Art Lover“, das nach einem Entwurf Mackintoshs für den Wettbewerb der deutschen „Zeitschrift für Innendekoration“ (1901) erst in den 1990er Jahren gebaut wurde. Die Außenfassade offenbart schon einige typische Stilmerkmale des Architekten, wie zum Beispiel die scheinbar willkürliche Anordnung der Fenster und florale sowie wellenförmige Elemente. Der wahre Schatz verbarg sich aber im Inneren. Es versetzte uns regelrecht ins Staunen, als wir in dem berühmtesten Raum, dem Musikzimmer standen. Die hellen Farben, die klaren Strukturen und liebevollen Details, die so individuell ausgeprägt sind, schienen uns mit nichts vergleichbar zu sein. Alles war perfekt inszeniert und schien einer höheren Bestimmung gewidmet zu sein. Ein Meisterwerk des Ehepaars C. R. Mackintosh und Margaret MacDonald-Mackintosh, die ihm bei der künstlerischen Ausgestaltung zur Seite stand.
Obwohl wir uns im privaten „House for an Art Lover“ nicht auf die strengen Stühle mit hoher Lehne setzen durften, bekamen wir dazu die Gelegenheit in Mackintoshs „Willow Tea Room“. Hier genossen wir nun endlich unseren „afternoon tea“ und „scones with strawberry jam and clotted cream“, zu dem wir großzügig von den Gasthörern eingeladen wurden. Gestärkt hörten wir am späten Nachmittag noch die letzten Referate u.a. zum „Warehouse Gardner & Son’s“, zum „Buck’s Head Building“.
Mittwoch, 10. September | Glasgow
Abreisetag. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ausdrücklich bei den mitreisenden Gasthörern des Freundeskreises des Instituts bedanken, die durch ihre aktive Teilnahme und ihre Diskussionsbeiträge den Aufenthalt bereichert haben und durch ihre finanzielle Unterstützung die Studienfahrt ermöglicht haben. Dem Ehepaar Mörtel danken wir für ihre perfekte Planung, ihre hervorragende Führung und die interessanten Vorträge. Unser ausdrücklicher Dank gilt Herrn Professor Dickel für sein Engagement und seine Mühen, durch die wir ein paar wunderschöne und lehrreiche Tage in Edinburgh und Glasgow verbringen durften.
Text: Ella Malzew und Susanne Weinke (Redigiert von Jasmin Schweikert)
Hier finden Sie die Präsentation der Exkursion als PDF.