2007 – Paris
Die Paris-Exkursion vom 12. bis 20. April 2007
Die Exkursion nach Paris, vom 12. bis 20. April 2007, schloss ein Hauptseminar zur Kunst und Literatur der Moderne ab, das in Verbindung mit dem Institut für Romanistik im Winter stattgefunden hatte. 19 Studierende, 16 Gasthörer und Gasthörerinnen und 2 Dozenten verteilten sich am ersten Abend auf die Jugendherberge und das Hotel in unmittelbarer Nähe des Louvre.
Die Bibliotheksräume des Centre allemand d’histoire de l’art, in dem wir dreimal zu Gast sein durften, boten einen komfortablen Rahmen für die kunst- und literaturhistorischen, aber auch theaterwissenschaftlichen Referate zum Thema „Paris als Hauptstadt der Avantgarde 1900–1939“. Auf Augenhöhe mit dem Reiterdenkmal Ludwig XIV., an der place des Victoires, begannen wir mit Powerpoint-Präsentationen zum „Prinzip Collage“ und zum Dadaismus. Am Nachmittag konnten wir nach schier endloser Rolltreppenfahrt hinauf zum Dach des Centre Pompidou, lang ersehnt, das erste Mal den Eiffel-Turm sehen. In der Sammlung des Musée national d’art moderne lernten wir durch Referate die für uns wichtigsten Kunstwerke kennen, von Delaunay, Matisse, Picasso, Duchamp und Léger, unterbrochen durch einen Besuch im Atelier Brancusi. Erst der Schließdienst des Museums beendete den Tag, indem er eine Diskussion über einen Film von Samuel Beckett mit Buster Keaton jäh abbrach.
Wie alle fleißigen Wissenschaftler waren auch wir schon früh am Morgen in der Bibliothèque Nationale Site Richelieu, blickten in die Lesesäle und besuchten dann die Ausstellung „Eugène Atget“. Nur langsam löste sich die Gruppe von den stimmungsvollen Paris-Fotos der Jahrhundertwende, um beim nächsten Vortrag im Freien etwas ganz anderes kennenzulernen: das Palais Royal in seiner Entwicklung vom Kardinalspalast zum Vergnügungsviertel. Die „Deux Plateaux“ von Daniel Buren (1985) wurden körpersprachlich interpretiert. Am Eiffelturm waren wir erwartungsgemäß nicht die einzigen Besucher, nach einem Referat ging es weiter zum Palais de Chaillot, dessen Inschriften von Paul Valéry uns zu einer Diskussion über Avantgarde und Tradition anregten. Ein Spaziergang im vornehmen XVI° Arrondissement erschloss uns die Eleganz des modernen Bauens im Pariser Westen, Rue Mallet-Stevens, Fondation Le Corbusier, Hector Guimard, Auguste Perret waren die wichtigsten Namen.
Der Sonntag sollte mit der Besichtigung der Sainte Chapelle beginnen, die aber gleich nach Verlassen der Unterkunft an Zehntausenden Marathon-Läufern und ihren jubelnden Zuschauern zu scheitern schien. Nur auf Umwegen erreichten wir unser „créneau de visite“ (Zeitfenster) in der königlichen Kapelle. Während der anschließenden Wanderung zum Musée Picasso erzwangen wir bei sonnigem Wetter ein Picknick auf der Place des Vosges, und erhielten sogleich ein Spontanreferat zur Architektur. Nach drei Picasso-Referaten fuhr uns die Metro nach La Défense, wir bewunderten die Grande Arche und auf dem Rückweg auch noch den Arc de Triomphe, dessen Aussichtsplattform ebenfalls grandiose Blicke auf die Metropole mit ihren vielen Achsen bietet. Das Flanieren über die Champs Elysées wurde vor dem Grand Palais mit einem Referat beendet. Am Abend gab es zur Belohnung ein französisches 3-Gänge-Menü für alle 37 TeilnehmerInnen. In entspannter Atmosphäre dankten wir unseren Dozenten, Prof. Hans Dickel und Dr. Adrian LaSalvia, sowie den spendablen Gasthörerinnen und Gasthörern für ihre Beiträge zum Gelingen der Exkursion.
Am Montag führte uns ein Mitarbeiter des Hauses durch die verborgenen Innenräume der Operá Garnier. In diesem Prachtbau für die Pariser Gesellschaft des Second Empire kam es weniger darauf an, eine Aufführung auf der Bühne zu sehen, als vielmehr darauf, selbst gesehen zu werden (Bild). In der Passage de Panorama hörten wir unter wohlwollenden Kommentaren der Passanten ein Referat zu Walter Benjamins „Passagen-Werk“. Pünktlich im Centre allemand d’histoire de l’art angekommen, informierten uns Dr. Fréderic Bussmann und Dr. Gregor Wedekind über dessen Arbeit und seine Funktion als Forum für die Begegnung von deutschen und französischen Wissenschaftlern. Nach dem Referat über den spanischen Bürgerkrieg und die Haltung der französischen Intellektuellen beschäftigte sich ein Vortrag detailliert mit Picassos „Guernica“. Es folgte ein Beitrag zur Fotografie des Surrealismus, Meret Oppenheim, Man Ray und Claude Cohen, zuletzt ein Referat über Eugène Ionescos „La cantatrice chauve“, das uns einstimmte auf den Abend im Théâtre de la Huchette.
Am nächsten Morgen informierte uns ein Vortrag zu „Le Théâtre et son double“ von Antonin Artaud über die Grundlagen neuer Theaterformen, die seit den 60er Jahren auf freien Bühnen erprobt werden. Marcel Duchamps „Großes Glas“ wurde kenntnisreich beschrieben als Darstellung der Psychologie einer Hochzeitsnacht mit den Mitteln eines Automechanikers. Beim Spazieren durch die Gärten des Musée Rodin erfuhren wir am Nachmittag Details zu Leben und Werk des Bildhauers, das Denkmal Balzacs verdeutlichte die intensiven Wechselbeziehungen von Literatur und bildender Kunst. In der Fondation Cartier blieben einige lange versunken in der Traumwelt David Lynchs, während andere schon zum Musée d’art moderne de la ville de Paris aufbrachen, um ein Referat zu Raoul Dufys Weltausstellungsbild „Die Geschichte der Elektrizität“ zu diskutieren. Am späten Abend trafen wir uns wieder inmitten von Michel Blazys Installation „Post Patman“ im Palais de Tokyo.
Vorgewarnt, keine Taschen mitzunehmen, passierten wir zügig die Sicherheitsschleusen des Louvre und waren bald komplett inmitten von Peter Paul Rubens‘ Medici-Zyklus versammelt: Referat. Auf dem Weg zur Mona Lisa verpaßte ein Teil der Gruppe beim Plaudern die letzte Rechtsabzweigung. Dank des nie abreißenden Besucherstromes fanden jedoch alle den Weg in den Raum der italienischen Renaissance. Die Referate zu Tizian, später auch zu Géricault, Delacroix, Corot und Ingres, mussten mühsam aus der permanenten Geräuschkulisse des Louvre gefiltert werden. 60 Minuten „visite individuelle“ blieben übrig, bevor der Abend in das VI° Arrondissement führte: Bei einem Referat über das Café Flore stellten wir uns Picasso und Meret Oppenheim vor, im Gespräch über einen Fellüberzug für Kaffeegeschirr. Nach den Stationen St. Sulpice und Parc de Luxembourg erreichten wir das Restaurant „La Coupole“, einen weiteren Künstlertreffpunkt der „années folles“.
Die Hektik am Morgen hatte sich gelohnt, denn nach den eiligen Schritten durch die Tuilerien stand uns die Orangerie ganz allein zur Verfügung: Seerosen, Seerosen und nochmals Seerosen in Claude Monets frisch renovierter „Sixtinischer Kapelle des Impressionismus“. Im Musée d’Orsay hörten wir ein literaturwissenschaftliches Referat zum Streit über die Bilder Edouard Manets und Emile Zolas Rolle als Kunstkritiker. Nach der Begegnung mit den Werken Aristide Maillols überraschten uns die Gasthörerinnen und Gasthörer mit einer Einladung zum Mittagessen im ehemaligen 1. Klasse-Wartesaal des zum Museum umgebauten Bahnhofs: Wir speisten wie die Könige! Vielen Dank! Dann ging es auch schon wieder weiter, unterirdisch schnell mit der RER, zur Bibliothèque Nationale Site Mitterand. Nachdem Material und Metaphorik des Gebäudes von Dominique Perrault erläutert waren, verschwanden die meisten Teilnehmerinnen in den Nebenräumen, um sich für den abschließenden Besuch in einer Aufführung der Opéra Bastille neu in Schale zu werfen.
Diego Alonso, Dalia Ardaviciute, Ulrich Blanché, Ramona Braun, Daniela Fraenkel, Sandra Högner, Wolfgang Horn, Sonja Kammerlander, Norbert Kleinwächter, Rada Madeva, Valentina Mazyliuk, Kay Mandrik, Jocelyne Nicoly, Jari Ortwig, Sonja Pistori, Senta Schneider, Kerstin Woitas, Claudia Wolf