2010 – Paris
Ebenso wie die Exkursion ist auch dieser Bericht eine Gruppenleistung. Er informiert über die verschiedenen Stationen der Exkursion, gleichzeitig soll aber auch die individuelle Begeisterung und Freude vermittelt werden, die ihre Teilnehmer empfanden, kurze Vertiefungen prägender Stationen können den Leser neugierig machen auf die französische Hauptstadt, die ja auf eine beachtliche Tradition als Mittelpunkt der kulturellen Welt zurückblicken kann. Alle Studenten haben ihren individuellen Beitrag zu diesem Bericht geliefert, die Vertiefung zum Musée Rodin wurde von Constanze Hoffmann zu Papier gebracht, und die Louvre-Vertiefung steuerte Marian Wild bei; das abschließende Fazit schrieb Theresa Weiß. Die Tageszusammenfassungen sind eine Kombination der Texte von Sabine Berndt, Miriam Höltschl, Sophie Lautenschlager und Julian Irlinger.
Wir, die teilnehmenden Studenten an der Paris-Exkursion 2010, möchten uns mit diesem Bericht nochmal ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Karl Möseneder, Frau Dr. Bettina Keller und Frau Dr. Eva Wattolik für die wunderbaren Tage in Paris bedanken, für die reibungslose Organisation, den freundschaftlichen Umgang und das viele vermittelte Wissen.
29.09.10 – Ankunft in Paris, Städtebau
Am Mittwoch startete unsere Reise mit insgesamt elf Exkursionsteilnehmern, acht Studierende in Begleitung von Prof. Möseneder, Frau Dr. Keller und Frau Dr. Wattolik, Richtung Paris – Charles de Gaulle. Der Flug mit der Air France war für alle Beteiligten ein eher erholsamer Start in die Exkursion. Nachdem die Zimmer im Hotel Legendre bezogen waren, ging es nach einer kurzen Pause auch schon direkt weiter, das Ziel war die Île de la Cité.
Hier gab Prof. Möseneder bei einem kleinen Rundgang den ersten Überblick über die historische Stadtentwicklung, die dort ihren Ursprung hat. Wer hätte gedacht, dass es die ersten Hausnummern erst um 1515 gab und sie in Paris ihren Ursprung fanden? Auch die Place Dauphine, die achsenbezogen auf die Reiterstatue Heinrichs IV., entworfen von Giambologna, ausgerichtet ist, und Notre Dame wurden kurz besichtigt.
Spätestens hier war allen Beteiligten klar, dass man mit einer solchen Führung durch die Metropole, ob man wollte oder nicht, geradewegs in die Champions-League des Kunsthistoriker-Studiums katapultiert werden würde. Prof. Möseneder wies uns angehende Kunsthistoriker auch erst einmal darauf hin, dass das Kunsthistorikerdasein eine starke Rückenmuskulatur, Standhaftigkeit und gutes Schuhwerk voraussetzt. Bei einem gemeinsamen Essen in einem hervorragenden französischen Restaurant ließen wir den Abend ausklingen.
30.09.10 – Louvre I
Unser erster Morgen führte uns direkt in den Louvre, dessen Ostfassade zunächst unsere Betrachtung auf sich zog. Im Museum hatte jeder Student vorab die Gelegenheit, seine entsprechenden Gemälde für die Referate zu finden. Der Einstieg erfolgte mit Nicolas Poussin (Die Inspiration des Dichters, Eliézer und Rebecca, der Raub der Sabinerinnen, Die Jahreszeiten). Bedingt durch die zahlreichen (fotografierenden) Besucher und den Geräuschpegel war es manchmal schlicht nicht möglich, als Gruppe lange vor den Gemälden zu verweilen. Allerdings hatten wir später immer noch Gelegenheit, das Museum selbstständig zu erkunden. Auch dieser Teil des Tages ging fast wie im Flug vorbei und die Fülle an Gemälden und Skulpturen innerhalb des Louvre ließen uns immer wieder erstaunen. Am Abend folgten die meisten von uns dem freundlichen Angebot der Dozenten, gemeinsam Essen zu gehen.
Vertiefung: Louvre
Die Ausstellungsfläche des Louvre ist rational nicht fassbar: Rund 60.000 m² sind mit unglaublichen 35.000 Exponaten ausgestattet, das entspricht immer noch weniger als 10% der gesamten Sammlung. Wenn man den Gebäudekomplex durch die gläserne Pyramide von I.M. Pei betritt, überwältigt einen die riesige Empfangshalle, von der die drei Ausstellungstrakte Sully, Denon und Richelieu rechtwinklig abzweigen. Jede dieser Zonen umfasst drei oder vier Stockwerke, dutzende Räume reihen sich jeweils aneinander, Labyrinthe mit Ölmalerei, Marmor und seltenen Metallen,
Gemälde des französischen Barock und der italienischen Renaissance, Skulpturen der griechischen Antike, Exponate des alten Ägypten und Mazedonien, Schmuck und Kleinkunst, Altarmalerei auf Holz und Vorskizzen zu großen Gemälden von Jacques-Louis David und Theodore Géricault. Die „Mona Lisa“ und der „Schwur der Horatier“, die „Nike von Samothrake“ und die „Venus von Milo“, das „Floß der Medusa“ und das „Massaker von Chios“. Die Grand Galerie. Ganze Räume voller LeBruns, Watteaus und Rubens-Zyklen. Portraits von Raffael, Sklaven von Michelangelo und ein Dürer, ganz versteckt zwischen Holländern und Belgiern in der Abteilung für Kunst nördlich der Alpen. Der Louvre ist ein eigener Kosmos, er scheint von außen schon groß, innen aber riesig, drei Tage des Studiums sind hier besser als einer, aber immer noch zu wenig.
01.10.10 – Versailles
Am folgenden Tag fuhren wir nach Versailles, wo uns Prof. Möseneder Aufbau und Struktur von Schloss und Garten näher erläuterte. Die Besichtigung des Inneren des Schlosses gestaltete sich zeitweise recht schwierig, da sich Versailles an diesem, wie wohl auch an jedem anderen Tag, recht großer Beliebtheit bei Touristen erfreuen konnte. Dennoch begeisterten nicht nur die Wand- und Deckengemälde, sondern auch die Murakami-Ausstellung, die besonders mit der im Zentrum des Gartens stehenden „Buddha“-Statue für den Rest des Tages noch einiges an Gesprächsstoff nach dem Sinn und Zweck riesiger Manga-Figuren in barocken Schlössern lieferte.
Vertiefung: Versailles
Versailles, das Schloss des Sonnenkönigs Louis XIV, ist ein Symbol der Epoche des Absolutismus und ein paradigmatischer Bau für die europäische Schlossbaukultur. Nachdem Louis XIV. 1661 die Macht übernommen hatte („Le roi gouverne par lui même.“) begann er bald – unter dem Eindruck des von seinem Minister Fouquet errichteten Schlosses Vaux le Vicomte – mit der Umgestaltung des ehemaligen Jagdschlosses seines Vaters Louis XIII. Louis Le Veau (Architekt), Charles Le Brun (Maler) und André le Nôtre (Gartengestalter) zeichnen für die erste Umgestaltung in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts verantwortlich. Nach dem Frieden von Niemwegen 1678 wurde mit der „grande enveloppe“ von Jules Hardouin Mansard, dem „großen Umschlag“, die Fassade im hinteren zum Garten gelegenen Teil gänzlich neu gestaltet. Versailles zeichnet sich der italienischen Architektur gegenüber vor allem durch den Verzicht auf bzw. die starke Rücknahme der Säule, die Kombination aus Ziegeln und Hausteinen sowie die Einbeziehung des Daches in die Fassadengestaltung aus.
Für das Dekorationsprogramm von Versailles, das natürlicherweise auf die Verherrlichung des Herrschers abzielt, sind zwei Gedanken bedeutsam, zum einen die Devise des Königs „Nec pluribus impar“ („Niemandem gleich“) und die Gleichsetzung seiner Person mit dem Sonnengott Apoll, die beispielsweise in der Konzeption der Planetenräume oder dem Brunnenprogramm ihren Niederschlag findet.
02.10.10 – Louvre II
Am Samstag war im Louvre der Zugang zu einigen fest eingeplanten Gemälden leider versperrt, so dass wir andere dafür vorziehen mussten (Le Sueur, David, Gros und Delacroix). Währenddessen erstaunten aber nicht nur die Gemälde, sondern wiederum auch die Vielzahl an Besuchern mit ihren Kameras, die die Bilder photographierten ohne sie jedoch richtig anzusehen, wie uns oft schien. Besonders vor der „Mona Lisa“ und in ihrer Nähe scharten sich die Besucher in Massen, während andere große Teile des Museums wie leergefegt wirkten.
03.10.10 – Monet-Ausstellung, Musée Rodin, Flohmarkt
Der Sonntag stand für uns zur freien Verfügung. Ein Teil der Gruppe pilgerte zu der Monet-Ausstellung im Grand Palais, für die es sich, so die Rückmeldung, absolut gelohnt hatte, 2 ½ Std. anzustehen. Die gut konzipierte Ausstellung beleuchtete alle Lebensstationen Monets (Normandie, Reisebilder, Heuschober-, Pappel- und Kathedralserien, Porträts, Seerosen u.a.). Der Weg dieser Gruppe ging weiter zum Musée de Cluny (Kapitelle, Ausstellung: Kunst in der Slovakei im Spätmittelalter, Tapisserie: Dame mit dem Einhorn), ein Bummel über die Champs- Elysée rundete deren Tag ab.
Ein anderer Teil der Studenten nutzte den Sonntag um den Flohmarkt von St. Ouen zu besuchen, den größten Flohmarkt von Paris, der auf eine über 100-jährige Tradition zurückblicken kann. Die restlichen Gruppenmitglieder begaben sich zuerst zum Musée Rodin, danach in einem ausgedehnten Spaziergang durch Paris zu dem idyllischen Haus von Eugène Delacroix.
Vertiefung: Musée Rodin
Das Musée Rodin ist kein speziell entwickeltes Museum, sondern ein ehemaliges Hôtel, ein Stadtpalais mit Gartenanlage, und es wartete bei bestem Wetter auf uns. Dem Künstler selbst, der dort einige Zeit wohnte, ist es zu verdanken, dass die Anlage nicht abgerissen, sondern als Ausstellungsort für gestiftete Werke genutzt wird. Im Garten stehen ebenerdig „Die Bürger von Calais“, die wir ungehindert aus der Nähe betrachten konnten, sowie einige Skulpturen von Victor Hugo, den Rodin mehrfach in Stein gehauen hat, und auch „Das Höllentor“ hat dort seinen Platz gefunden. Gegenüber, zwischen akkurat tropfenförmig geschnittenen Eiben, sitzt „Der Denker“, auf einer Säule erhöht, und ignoriert die Betrachter. Im Haus selbst sind neben Modellen und Plastiken auch die Werke untergebracht, die Rodin selbst gesammelt hat, unter anderem Gemälde von Cézanne oder Vincent van Gogh. Besonders aufmerksam wurden wir bei der Betrachtung von aufgeschnittenen Modellen, die den Fertigungsprozess der Plastiken zeigen. In sechs verschiedenen Schritten vollzieht sich der komplizierte Prozess von der Formung des ursprünglichen Modells über Abgüsse, Glättungen und Korrekturen bis hin zum fertigen Werk. Auch Arbeiten von Camille Claude, der Geliebten Rodins, zeigt das Museum und rundet so den Gesamteindruck ab.
04.10.10 – Louvre III
Vor dem dritten Betreten des Louvre betrachteten wir diesmal die Architektur der Flügelbauten (u.a. von Lescot). Prof. Möseneder erklärte uns die Bedeutung der Straßenachsen für das Stadtbild. Die große Ost-West-Achse vom Louvre über die Tuilerien zum Triumphbogen (Akzentuierung der Mitte) sowie das Reiterstandbild Ludwigs XIV. von Bernini waren nicht nur für uns angehende Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker ein beliebtes Fotomotiv. Am letzten Tag im Louvre fanden die übriggebliebenen Referate statt (Watteau, Boucher, Greuze und Fragonard) sowie das letzte Abendessen in einem typischen Pariser Restaurant.
05.10.10 – Musée d’Orsay
Auch den Abreisetag ließen wir nicht ungenutzt, es ging noch in das Musée d’Orsay, deren Aufseher aber nun leider damit glänzten, strikter als ihre eher langmütigen Louvre-Kollegen durchzugreifen und alles zu untersagen, was auch nur im Ansatz störend sein könnte, etwa unangemeldete Gruppen mit mehr als drei Personen – wie wir. Da wir als Gruppe also leider nicht vor einem Gemälde diskutieren durften und Prof. Möseneder uns somit nicht vollständig durch die Sammlung führen konnte, erkundeten wir das Museum allein. Freilich gab es auch hier neben Hauptwerken von Manet und Courbet noch vieles anderes zu sehen, etwa einige Räume, die dem Jugendstil gewidmet waren. Der Museumsbesuch rundete unsere Paris-Exkursion ab. Auch wegen einer Bombendrohung in der Stadt nur wenige Stunden vor unserer Abreise waren wir froh, schließlich unbeschadet zum Flughafen gelangt zu sein.
Fazit
An sich ist es für einen Studenten der Kunstgeschichte schon ein tolles Erlebnis, wenn man eine ganze Woche im Louvre und seiner Umgebung verbringen kann. Doch erst durch das Wissen und den Einsatz der begleitenden Dozenten wurde die Exkursion zu einer so lebendigen und interessanten Veranstaltung, die einen die französische Kunst des 17. bis 19. Jahrhundert und ihre Entwicklung in dieser Zeitspanne, viel intensiver erleben ließ, als dies in einem normalen Seminar möglich gewesen wäre. Die Zusammenhänge, sowie die geschichtlichen und auch stilistischen Hintergründe werden einem dadurch viel bewusster. Selbst das in den Referaten und der Hausarbeit tiefer gehend erarbeitete Thema, erschließt sich einem ganz neu, wenn man diese oft großformatigen Gemälde im Original betrachten kann. Es war ein einmaliges Erlebnis, von dem uns einiges in Erinnerung bleiben wird.