2009 – Chicago
Die Chicago – Exkursion vom 22. September bis 29. September 2009
Eine Exkursion dieser Art, mit einem so begehrten Ziel, hatte eine lange Vorbereitung und viel Bürokratie hinter sich, als es gegen Ende der Sommersemesterferien 2009 losgehen konnte. 12 Studenten und 12 Gasthörer sowie Herr Prof. Dickel versammelten sich am Morgen des 22. September am Check-In des Nürnberger Flughafens, um über den großen Teich zu fliegen und ein Stück USA zu erleben.
Dienstag, 22. September 2009
Nach unserem Flug über Zürich stiegen wir in die Blue Line des Chicagoer Verkehrsnetzes, die uns vom O’Hare Flughafen rasch zu unserem Quartier brachte. Dessen fantastische Lage inmitten des Loop, des Geschäfts- und Finanzviertels von Chicago, ermöglichte uns noch am Abend eine erste Erkundung der Gegend. Nach einer kleinen Begrüßung in englischer Sprache von Herrn Dickel unternahmen wir unseren ersten „Spaziergang“ und erreichten in nur zehn Minuten das Art Institute of Chicago. Im Millennium Park versammelt und mit Blick auf den erst kürzlich eröffneten Modern Wing von Renzo Piano, lauschten wir dem ersten Referat, das uns über die Geschichte des Museums und seiner Sammlung informierte. Begleitet von Jazzklängen aus dem Pritzker Pavilion, einer spektakulären Freilichtbühne, bestaunten wir die Skyline Chicagos von der Millennium Bridge und ließen den Abend, nach deutscher Zeit gegen 4.00 Uhr, ausklingen.
Mittwoch, 23. September 2009
Das Tagesprogramm begann pünktlich um 9 Uhr, so dass wir den Loop mit seinen vielen Hochhäusern erschließen konnten. Zunächst führte uns ein Architekturspaziergang zum Willis Tower, ehemals Sears Tower, dessen ferne Spitze noch im Nebel lag. Frau Mörtel erläuterte uns gewissenhaft die technischen Errungenschaften moderner Architektur, so dass wir bei den folgenden Referaten zum Leiter II Building, dem Marquette Building, dem Dearborn Center oder dem Reliance Building allein die konstruktiven Prinzipien erkennen konnten. Historischer Vorläufer ist das elegante Monadnock Building, das noch aus Backsteinen errichtet wurde. Beeindruckt von dem wunderschönen Innenhof des Rookery mit seiner reichen Ornamentik, beschlossen wir dort unser erstes Gruppenfoto aufzunehmen. Das XEROX Center und das James R. Thompson Center fielen uns schon von weitem durch ihre außergewöhnliche Bauform und den hohen Glasanteil in der Fassadengestaltung auf. Besonders das zweite Bauwerk Helmut Jahns regte unsere Diskussionsrunde an. Eine Ergänzung zur Architekturbetrachtung bildeten die Vorträge über Kunst im Stadtraum, zum Beispiel über Alexander Calders zinnoberroten „Flamingo“, der im Kontrast zu den dunklen Federal Buildings Mies van der Rohes den Platz beherrscht. Picassos vielansichtiges Werk vor dem Richard J. Daley Center aus Cor Ten Stahl gab uns durch seine Gestalt viele Rätsel auf. Am späten Nachmittag endete der offizielle Teil unserer Tagesplanung vor dem Auditorium Building und wer wollte, folgte der Gruppe nach einer kurzen Pause in den Millennium Park, um dort zwei weitere Kunstwerke kennen zu lernen. Dem ständig bestaunten „Cloud Gate“ von Anish Kapoor mit seiner spiegelpolierten Oberfläche konnten auch wir uns nicht entziehen und durch seine Präsenz, die sich sogar gegenüber der Architektur durchsetzt, ist es kein Wunder, dass es als eines der Wahrzeichen Chicagos gilt. Ein Referat über Jaume Plensas „Crown Fountain“, einer modernen Brunnenanlage aus Glassteintürmen mit LED-Bildschirmen, deren Aufnahmen die Natur und die Bürger Chicagos mit einbeziehen, schloss den Tag ab.
Donnerstag, 24. September 2009
Nach einer kurzen Busfahrt trafen wir termingerecht im Architektenbüro von Helmut Jahn in der 35 East Wacker Drive ein, wo wir eine Führung erhielten, trotz der Ablehnung aus seiner Heimatstadt Nürnberg. Anhand von Originalskizzen und zahlreichen Modellen wurden uns laufende sowie bereits abgeschlossene Projekte vorgestellt, die Jahn in der ganzen Welt verwirklicht. Den zweiten Programmpunkt des Tages bildeten die Gemälde der Alten Meister und der Impressionisten im Art Institute. Referate stellten uns die Madonnenbilder des Cinquecento vor, Werke von El Greco und Giorgio Vasari sowie vier Gemälde Tiepolos mit Szenen aus Tassos Gerusalemme liberata. Weiter durch die Galerien wandelnd, hörten wir Referate zu Nicolas Poussins Landschaft mit Johannes auf Patmos und zum Bild der sich allmählich emanzipierenden Frau im 18. und 19. Jahrhundert, schließlich zu den Impressionisten mit ihren alltäglichen Bildinhalten. Mit allerhand einfallsreichen Überleitungen von Monet über Caillebotte zu Renoir seitens Herrn Mörtel bahnten wir uns durch die am Nachmittag anwachsenden Besucherströme den Weg zu Seurat, van Gogh und Cézanne. Mit dem Themengebiet der japanischen Graphik und ihrem Einfluss auf die impressionistische Malerei bewegten sich viele von uns auf unbekanntem Terrain und so bestaunten wir interessiert eine Sonderausstellung zur japanischen Malerei. Für die letzten beiden Referate, die uns in das 20. Jahrhundert führten, versammelten wir uns erstmals im Neubau. Drei Gemälde Picassos, die uns die verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers vor Augen führten, und der Vortrag zu Matisse, der sich mit dem Verhältnis von Raum und weiblicher Figur beschäftigte, beendeten unseren Museumsbesuch.
Freitag, 25. September 2009
Um die Bauten von Frank Lloyd Wright zu besichtigen, machten wir uns früh mit der S-Bahn auf den Weg in Richtung Oak Park. Dort angekommen erhielten wir ein neuartiges Bild Chicagos, denn bisher waren uns nur die Finanzdistrikte im Kern der Stadt bekannt. In den Randbezirken zeigten sich fernab von der Geschäftigkeit des Zentrums ruhige Wohnviertel inmitten zahlreicher Grünanlagen. Wir betrachteten Wrights sogenannte „Prairie Houses“, die sich vor allem mit ihren weit ausladenden Dächern und ihrer burgartigen Erscheinung von anderen Wohnhäusern unterscheiden. Nach einem kurzen Blick auf das Wohnhaus Ernest Hemingways machten wir uns auf in Richtung Unity Temple, den wir von innen besichtigten. Dieses Gebäude, dessen Gemeinde- und Kirchenraum Einheit und Vielfalt verbinden soll, ist architekturgeschichtlich ein Vorläufer des Brutalismus. Im Anschluss an diesen Ausflug brachen wir zum IIT im Süden Chicagos auf und trafen pünktlich um 14 Uhr in der Crown Hall, dem Herzstück dieser Anlage, auf Herrn Prof. Keller. Er führte uns über den Campus und stellte uns neben geschichtlichen Hintergründen, Entwicklungsphasen des Geländes und Bauten von Mies van der Rohe auch Werke von Rem Koolhaas und Helmuth Jahn vor. Trotz unbeständigen Wetters beschlossen wir abends die Fahrt hoch auf den Willis Tower zu wagen, um dort Chicago in seiner Gesamtheit überschauen zu können. Der langersehnte Blick über die Dächer der Stadt faszinierte uns trotz einiger Nebelwolken und nach einiger Zeit leuchtete die Stadt in der Abenddämmerung.
Samstag, 26. September 2009
Vor unserem zweiten Besuch im Art Institute spazierten wir am Morgen noch einmal durch den Millennium Park und erörterten die verschiedenen Komponenten der Landschaftsgestaltung sowie die monumentale Skulptur Richard Serras nahe des Lake Michigan. Als wir gegen 10 Uhr unseren Rundgang in den Galerien des Art Institutes fortsetzten, war es die amerikanische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts mit ihrem illusionistischen Licht, die zuerst unsere Aufmerksamkeit fesselte. Mit Hilfe eines Referates zur englischen Romantik ließen sich die Unterschiede zwischen amerikanischen und englischen Künstlern jener Zeit anhand von Bildtechnik und Landschaftsauffassung gut erkennen. Die nächsten Stationen im Modern Wing beinhalteten Edward Hopper, Grant Wood, Georgia O’Keeffe und James McNeill Whistler. Am Nachmittag kamen wir zur Nachkriegskunst und beschäftigten uns mit Bildern von Jackson Pollock und Barnett Newman, deren Arbeit wir im Zusammenhang mit der Kunstauffassung der New York School besprachen. Werke von Joseph Kosuth, Roy Lichtenstein und David Hockney sowie eine Videoinstallation von Bruce Nauman erregten intensive Diskussionen, bevor sich der Museumstag dem Ende neigte. Den letzten Programmpunkt bildete die Photographie einer typischen Selbstinszenierung der Künstlerin Cindy Sherman, vor der wir noch einige Zeit über das Rollenspiel der Protagonistin sprachen. Danach hatte jeder für sich die Möglichkeit zu individuellen Streifzügen durch das Museum. Für den Abend war ein Theaterbesuch geplant und so machten wir uns gegen 19 Uhr mit dem Bus auf zum Court Theatre, um uns dort ein Stück von August Wilson anzusehen. Durch eine kleine Einführung in die Lebensgeschichte des Autors stimmten wir uns ein auf den Stoff der Handlung und so lauschten wir angestrengt und emotional „Ma Rainey’s Black Bottom“.
Sonntag, 27. September 2009
Unser Tag begann bei strahlendem Sonnenschein an der Michigan Bridge, die wir als Treffpunkt vereinbart hatten. Zu Beginn hörten wir ein Referat über das dortige Ensemble von Bauten der Art Déco Epoche, das neben dem Wrigley-Building auch den Chicago Tribune Tower beinhaltet. Nach einem ausführlichen Referat über die Bauten der 1920er Jahre in Chicago wandten wir uns den neueren Gebäuden wie den Marina Twin Towers mit ihren maritimen Elementen und dem Trump International Hotel &Tower zu. Immer wieder durch die aktuellsten Wahlprognosen aus Deutschland informiert, erreichten wir bald den Water Tower, der der großen Brandkatastrophe standhielt und somit eines der ältesten Gebäude der Stadt ist. Das Hancock Building, das wir im Anschluss genauer betrachteten, ist vor allem durch seine sichtbaren Auskreuzungen des Stahlskeletts bekannt. Am Ufer des Lake Michigan angekommen, erkundeten wir die Lake Shore Drive Apartments von Mies van der Rohe mit ihren damals neuen Bau- und Gestaltungsprinzipien. Nach einer kurzen Busfahrt erreichten wir Lily Pool Gardens, eine Oase inmitten der Großstadt, die auf japanische Einflüsse, wie auch solche Frank Lloyd Wrights zurückzuführen ist. Über den Lincoln Park Zoo erreichten wir kurz darauf Carlson Cottage, von wo aus wir den Bus in Richtung Museum of Contemporary Photographie nahmen, in dem wir eine kleine, aber interessante Ausstellung über Fotografie aus Shanghai besuchten. Nach einem anstrengenden Tag brachen wir gemeinsam in Richtung Navy Pier auf, denn dort erwartete uns eine von den Gasthörern organisierte Überraschung, die jedoch leider buchstäblich ins Wasser fiel. Wegen eines nahenden Unwetters konnten wir nicht wie geplant mit dem Schiff in See stechen, so endete der Abend mit einem gemütlichen Beisammensitzen in einer typischen amerikanischen Bar am Navy Pier.
Montag, 28. September 2009
Dieser Tag stand ganz im Zeichen unseres Treffens mit den amerikanischen Studenten in der University of Chicago und so machten wir uns erstmals ohne Gasthörer früh auf den Weg, um pünktlich bei Frau Prof. Mehring anzukommen. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde zeigten wir unsere englischsprachige Präsentation zur Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg“ im Germanischen Nationalmuseum, die vier unserer Studentinnen aus den Protokollen zum vorangegangenen Seminar erarbeitet hatten und hier vortrugen. Sie stellten die wichtigsten Werke und Künstler mit Hilfe von Power Point Folien vor. Mitgebrachte Süßigkeiten, typisch für Ost- bzw. Westdeutschland, sollten die Diskussion zum Thema Ost- und Westkunst anregen und so vertieften wir die Thematik durch Nachfragen und weitere Beobachtungen. Nach der Mittagspause starteten wir eine zweite Diskussionsrunde, in der wir die beiden Universitätssysteme in Deutschland und den USA miteinander verglichen und ihre Unterschiede benannten. Im Anschluss daran stellten zwei amerikanische Studentinnen ihre Abschlussarbeiten vor. Sowohl zu Hanne Darboven als auch zu John Heartfield konnten Wissen ausgetauscht und weiterführende Überlegungen vermittelt werden. Nach einem Gruppenfoto im Innenhof des Gebäudes und einem herzlichen Dankeschön brachen wir auf, um uns noch die ein oder andere Sehenswürdigkeit rund um das Universitätsgelände wie beispielsweise das Robie House anzusehen. Abschließend spazierten wir trotz rauen Wetters über den alten Campus. Unseren letzten Abend in Chicago verbrachten wir auf Einladung der Gasthörer alle gemeinsam in dem schönen Restaurant „Italian Village“, wo wir bei hervorragendem Essen unsere Exkursion noch einmal Revue passieren lassen konnten und die perfekte Zeit für Danksagungen fanden.
Dienstag, 29. September 2009
Am letzten Tag hörten wir noch ein abschließendes Architekturreferat zum Inland Steel Building, dem ersten Hochhaus im Loop nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine wichtige Einrichtung fehlte uns noch auf unserer Exkursionsliste und so begaben wir uns zum Museum of Contemporary Art. Der Skulpturengruppe „Drei Ganz Große Geister“ von Thomas Schütte vor dem Eingang des Museums galt unser letztes Referat, das uns die orientierungslosen amorphen Wesen und ihren besonderen Standort näher brachte. Im Museum selbst lösten wir uns alle in Zweiergruppen auf, um so jeweils ein Kunstwerk auszuwählen, das man nach einem Brainstorming im Anschluss dem Rest der Gruppe vorstellen sollte. Auf diese Weise bekamen wir einen erstaunlich vielfältigen Eindruck der ausgestellten Objekte, denn neben sehr bekannten Künstlern wie Francis Bacon oder Anselm Kiefer entschieden sich viele von uns auch für weniger bekannte Künstlerpersönlichkeiten, deren Bilder reichlich diskutiert wurden. Nach diesem letzten offiziellen Programmpunkt hatten wir den verbleibenden Nachmittag zur freien Verfügung, bevor wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu unserem nächtlichen Nachhauseflug aufbrachen.
Stephanie Schweikert, Aline Majerski, Patrick Steib
Hier finden Sie die Präsentation der Exkursion als PDF.