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»Der name Trew wird der Nachwelt unvergeßlich sein…« – Eintrag eines Bibliotheksbesuchers in Trews Stammbuch vom 4. Juni 1765
Trew verkörperte den naturforschenden Gelehrten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der in das Netzwerk der europäischen Gelehrtengemeinschaft eingebunden war. Neben seinen beruflichen Verpflichtungen als erfolgreicher Nürnberger Stadtarzt und Leibarzt des Ansbacher Hofes ging er seinen wissenschaftlichen Interessen, besonders der Medizin und Botanik nach, als Büchersammler der Literärgeschichte. Trew war Autor zahlreicher Schriften und gab bedeutende illustrierte botanische und anatomische Werke heraus. Seinen Nachruhm begründete er vor allem mit seinen Sammlungen (Bücher, botanische Illustrationen und Briefschaften), die er der Universität Altdorf vermacht hatte und die noch heute nahezu vollständig in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg aufbewahrt und erschlossen werden.
Sektion 1: Trews Sammlungen
Moderation: Ursula Rautenberg, Erlangen
Die 34.000 Titel umfassende Bibliothek des bekannten Naturwissenschaftlers und Nürnberger Stadtarztes Christoph Jacob Trew gehört zu den bedeutendsten naturwissenschaftlichen Privatbibliotheken des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Trew hatte sie 1769 testamentarisch zusammen mit seiner 19.000 Briefe umfassenden Briefsammlung der Universität Altdorf vermacht. Es handelt sich um die größte bekannte Briefsammlung mit medizinischem und naturwissenschaftlichem Schwerpunkt – sie enthält gut 19.000 Briefe und Entwürfe von 2.200 Autoren des 16. bis 18. Jahrhunderts, darunter der berühmtesten Gelehrten und Naturwissenschaftler der Frühen Neuzeit. Nach Auflösung der Universität Altdorf kam die Trewsche Bibliothek zusammen mit der Universitätsbibliothek Altdorf nach Erlangen. Der Vortrag gibt einen Einblick in den Bestand und die Geschichte der Trewschen Bibliothek.
Der Beitrag versucht, die drei von den Organisatoren der Tagung hervorgehobenen Funktionen rund um die wissenschaftliche Sammlung – Sammeln, Studieren, Veröffentlichen – mit ihren sich über mehrere Jahrhunderte hinweg verändernden Beziehungen herauszuarbeiten. Die Untersuchung eines größeren Zeitraums (vom Barock bis zur Aufklärung) ermöglicht es aufzuzeigen, wie sich die Rolle der Sammlung und damit die Logik des Sammelns verändert haben. Diesem Veränderungsprozess zugrunde liegen die Frage nach dem ›wissenschaftlichen‹ Wissen als kulturelle Praxis und die Frage nach den verschiedenen miteinander im Wettbewerb stehenden, an den beschriebenen Phänomenen beteiligten Akteuren. Der Vortrag konzentriert sich auf Büchersammlungen und auf das Beispiel des Königreichs Frankreich und berücksichtigt gleichzeitig darüber hinausgehende, relevante historische Kontexte.
Systematisch hat Christoph Jacob Trew Kräuterbücher, wissenschaftliche Zeichnungen und botanische Fachliteratur aus vier Jahrhunderten erworben. Seine umfassende Sammlung mit ihrem auch wissenschaftsgeschichtlichen Anspruch wurde schon von den Zeitgenossen als singulär eingeschätzt. Sie diente bei der komplizierten Produktion seiner eigenen botanischen Werke mit Künstlern, Stechern und Verlegern als Referenz und Maßstab. Begleitend zur Ausstellung ausgewählter Pflanzendarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts aus der Sammlung Trew in der Universitätsbibliothek Erlangen skizziert der Vortrag die Bildgeschichte einzelner Pflanzen, wie sie sich in Zeichnungen und gedruckten Buchillustrationen beobachten lässt. Dabei soll die Entwicklung der jeweiligen Darstellungskriterien und ‑modalitäten sowie der formalen Mittel parallel zum wachsenden Wissensstand der Botanik erörtert werden.
Geboren in Lauf, Medizinstudium in Altdorf, zeittypische Studienreise, städtischer Arzt in Nürnberg – diese biographischen Eckdaten lassen in keiner Weise erahnen, welche außerordentliche Wirkung Christoph Jacob Trew in seiner Zeit über die Grenzen der medizinischen Fachwelt hinaus entfaltete. Jenseits der Universitäten und neben den Belastungen einer ärztlichen Praxis agierte er vor allem auf seinen wissenschaftlichen Spezialgebieten – Anatomie und Botanik – als Netzwerker und Wissensvermittler. In Nürnberg gab er anatomische und botanische Kurse für künftige Chirurgen, Apotheker, Mediziner, Kupferstecher und Illuminatoren. Überregional agierte er als Publizist; mit den von ihm herausgegebenen Fachzeitschriften und Tafelwerken erreichte er einen europaweit gespannten Leserkreis. Grundlage seines umfassenden Engagements bildete eine breit gefächerte Privatsammlung von Büchern, Illustrationen, Präparaten, Pflanzen, Samen, Gesteinen und Instrumenten. Als Kommunikationsmittel diente ihm der Brief. Über zahlreiche Korrespondenzen war er ein Mitglied in der Gelehrtenrepublik und informiert über die Entwicklungen in der Medizin und Naturkunde. Zugleich erfuhr er von dem aktuellen Gesundheitszustand aus seinem stetig sich erweiternden Patientenkreis. In dem Beitrag werden die wesentlichen Lebensstationen Trews im Überblick nachgezeichnet. Ausgangspunkt ist Trews häufig wiederholte Aussage, »dem publico dienen« zu wollen. Dabei stellt sich die Frage, welches Zielpublikum er im Auge hatte, und vor allem, auf welche Weise er den geäußerten Anspruch mit seinen Möglichkeiten am besten einzulösen vermochte. Aber auch: Wo stieß er an seine Grenzen und wie ging er damit um? Für die Frühzeit der Aufklärung wird exemplarisch eine medizinische Persönlichkeit erkennbar, die einen spezifischen, hoch ertragreichen Stil wissenschaftlichen Arbeitens kultivierte und sich damit unter seinen Zeitgenossen Achtung und Anerkennung verschaffte.
Sektion 2: Bibliothek und gelehrten Praxis
Moderation: István Monok, Budapest / Szeged
Die gelehrten Anstrengungen der frühneuzeitlichen Gelehrten werden heute vor allem auf ihre Publikationen reduziert, die als Zeugnisse des zeitgenössischen Wissensstands oder zeitgenössischer Ordnungssysteme zum Formalobjekt wissenschaftsgeschichtlicher Forschungen werden. Die gelehrten Praktiken, deren Produkt diese Veröffentlichungen sind, wurden dagegen bisher nur von wenigen Wissenschaftlern wie Ann Blair oder Helmut Zedelmaier untersucht. Im 18. Jahrhundert wurden die Praktiken des Zusammentragens, Ordnens und Verzeichnens sowie die Schärfung der dafür nötigen Urteilskraft als Basis der Gelehrsamkeit fester Bestandteil der akademischen Ausbildung. Sie vermittelten gelehrte Bücherkenntnisse für zwei verschiedene Anwendungsbereiche: einerseits zum Sammeln des Bibliotheksbestands, andererseits zu dessen Nutzbarmachung für die Gelehrsamkeit.
Der Vortrag geht der These nach, ob diesen gelehrten Praktiken in Trews umfangreicher Bibliothek mit über 34.000 Büchern eine besondere Bedeutung zukam, da eine adäquate Nutzung der Büchersammlung erst möglich wurde, nachdem diese universitär vermittelte Methode verinnerlicht worden war. Trews Praktiken des Zusammentragens, Ordnens und Verzeichnens von Informationen, wie sie sich in seiner Vorgehensweise bei der Erstellung gelehrter Publikationen zeigen, werden anhand seiner Arbeiten am »Blackwellschen Kräuterbuch« und insbesondere dem diesem beigegebenen Autorenkatalog untersucht. Es wird gezeigt, nach welchen Kriterien Trew die in seiner Sammlung zusammengetragenen, geordneten und in seinen Bibliothekskatalogen verzeichneten Titel für diese spezifische Arbeit auswählte. Trews kritische Einschätzung der Bücher sowie die Einordnung in zeitgenössische Systeme der Wissenserschließung werden als notwendige Vorarbeiten für Publikationen thematisiert. Auf welche Weise konnte Trew den Bestand seiner umfassenden Bibliothek und die darin enthaltenen Informationen für seine Forschungen nutzbar machen?
Der Beitrag widmet sich der Frage, wo die umfangreiche Bibliothek Christoph Jacob Trews ab 1728 im ‒ Nürnberger Stadtteil ‒ »Wespennest« untergebracht war, und wie die Ausstattung zum einen der Räumlichkeiten, zum anderen ihrer Bücher aussah. Grundlage der Diskussion sind in der Hauptsache verschiedene Druckgraphiken, die zu Lebzeiten Trews von mehreren Stechern angefertigt wurden und in einem deutlichen Bezug zu seiner Bibliothek stehen. Als Ausgangspunkt dienen fünf Radierungen mit Innenansichten der Bibliothek Trews – vermutlich wurden diese im Zusammenhang mit seinem 1768 publizierten »Catalogus Bibliothecae« in Auftrag gegeben. Die auffällig nüchterne Schilderung der Räume lässt zunächst auf eine an der Realität orientierte Abbildung schließen, doch ist der Einfluss zeittypischer Denk- und Bildmuster zu untersuchen: Im Vergleich mit zeitgenössischen Darstellungen anderer Gelehrtenbibliotheken, die in einer Auswahl vorgestellt und auf ihren Vorbildcharakter hin untersucht werden, finden sich Parallelen und Unterschiede. Weiterhin ist zu überprüfen, inwiefern bekannte Architekturtraktate oder theoretische Abhandlungen zur ›idealen‹ Einrichtung einer Büchersammlung, die im 18. Jahrhunderts kursierten, für Trew eine Rolle gespielt haben. Als mögliche Informationsquelle sind zudem Beschreibungen seiner Privatbibliothek in Nürnberg aus einzelnen Reiseberichten und -führern in Betracht zu ziehen.
Darstellungen von Bibliotheksinterieurs finden sich auf einigen Exlibris von Zeitgenossen Trews, die er als eifriger Büchersammler sicher zur Kenntnis genommen hat. Trew selbst ließ für seine Bibliothek zu Lebzeiten sieben unterschiedliche Exlibris entwerfen und klebte sie als Eigentumsvermerk in zahlreiche seiner Bände ein. Bei der Motivwahl orientierte er sich jedoch überwiegend an heraldischen Vorbildern, d. h. die meisten seiner Exlibris zeigen das Trewsche Familienwappen. Dieses erscheint auch auf einigen seiner Porträts, die in ihrer Bedeutung und Funktion abschließend vorgestellt werden.
Stammbücher gehören zu den vielfältigsten Textobjekten der Frühen Neuzeit. Weitgehend akademisch geprägt und auf Mitteleuropa beschränkt legen sie Zeugnis ab von sozialen Netzwerken und Bildungswissen, von Studienerlebnissen und Sprachkontakten. Ihre wissenschaftliche Erschließung ist in vielerlei Hinsicht noch rudimentär; Grundlagen schafft hier derzeit ein in Weimar und Tübingen betriebenes Erschließungsprojekt (Eva Raffel) sowie eine Reihe kleinerer Einzelstudien und Studienarbeiten. Während die Prosopographie voranschreitet, gibt es für die Analyse der Einträge und des Formelgutes noch kaum exemplarische Studien (eine erwähnenswerte Ausnahme bilden hier Walther Ludwigs Studien zum Stammbuch als Teil humanistischer Kultur).
Christoph Jacob Trew besaß wie viele seiner Zeitgenossen mehrere Stammbücher. Eines liegt heute in London, das andere, weit prächtigere in fünf Bänden mit 452 Einträgen, ist in der Universitätsbibliothek Erlangen erhalten. Darüber hinaus hat er selbst auch zu zahlreichen Stammbüchern der Region beigetragen (acht Einträge bei Raffel). Im Zentrum der Überlegungen steht das Stammbuch seiner Nürnberger Bibliothek. Trew hat es, so die These, als etablierter Wissenschaftler programmatisch zur Identitätskonstruktion im Kontext seiner Sammlung genutzt. Seine Gäste haben darauf reagiert, indem sie humanistisch geprägte Texte zum Lob von Autor und Buch, Gelehrsamkeit, Natur und Naturwissenschaft beitrugen. Die Sprache der Beiträge ist in der Regel Latein; andere Sprachen (Griechisch, Hebräisch, Deutsch, Französisch, Italienisch) kommen hinzu. Eine repräsentative Auswahl von Blättern wird daraufhin untersucht, welche Bildungssegmente in den zitierten und paraphrasierten Texten aufgerufen werden, inwieweit aus dem verwendeten Formelgut der »dedicationes« Informationen über die Beziehungen zwischen Adressat und Beiträgern zu gewinnen sind und wie sich das Nürnberger Stammbuch zum ›Self-Fashioning‹ des Autors einerseits in seinem ersten, in London befindlichen Stammbuch aus Studentenzeiten, andererseits in den von ihm vorgenommenen Einträgen für andere Stammbucheigner verhält.
Gemalt, gestickt, gestreut, gefleckelt oder appliziert auf Papier, Pergament und Stoff – Blumenbilder in Stammbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts sind von höchst unterschiedlicher Materialität. Sie verbindet jedoch die Tatsache, dass sie überwiegend Einträge von Frauen begleiten: Im von der Beiträgerin ausgewählten Spruch oder Gedicht finden die abgebildeten Blumen Erwähnung – oder die Pflanzen sind sogar die Botschaft selbst, wenn die Beiträgerin auf einen schriftlichen Eintrag verzichtete und nur ihren Namen oder ihre Initialen neben das Bild setzte. Für Frauen in den sozialen Netzwerken von Stammbucheignern hat sich die Forschung bisher wenig interessiert – sie passen nicht in das gängige Bild dieses Handschriftentyps: eine im universitären Umfeld entstandene Praxis, die zumindest bis in den hier zu betrachtenden Zeitraum hinein eine männliche Domäne war. Männer waren fast immer die Stammbucheigner, aus ihren Reihen stammt die weit überwiegende Anzahl der Beiträger.
Auch Christoph Jacob Trew legte sein Stammbuch Frauen aus seinem Bekanntenkreis in Nürnberg und Altdorf vor; zwei Frauen verewigten sich dabei mit gemalten Blumenbildern. Da sich in Nürnberg und Erlangen eine signifikante Anzahl von Freundschaftsalben mit Pflanzendarstellungen von Frauenhand erhalten hat, lohnt sich eine regional und zeitlich eingegrenzte Untersuchung des beschriebenen Phänomens. Dabei zeigt sich, dass einzelne Frauen wiederholt um Einträge gebeten wurden. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern ihre Blumenbilder auch als Kunstwerke gefragt waren und ob die Stammbücher als ein Indikator für die zeitgenössische Wertschätzung von für Frauen spezifische Kunstfertigkeiten herangezogen werden können: Dazu zählen gemalte genauso wie gestickte Blumenbilder, aber auch eher selten überlieferte Techniken wie Streubilder aus feingeschnittenen Seidenfasern oder Applikationen bzw. Fleckelarbeiten aus Stoffstücken. Zu entdecken sind bisher kaum bekannte Nachfahrinnen der Maria Sibylla Merian, die mit ihren Lehrbüchern und ihren an einen Schülerinnenkreis weitergebenen Anleitungen während ihres Nürnbergaufenthalts von 1668 bis 1682 den Grundstock gelegt hatte. Eine Gegenprobe bilden die wenigen wissenschaftlich präzisen Pflanzendarstellungen von männlichen Beiträgern.
Sektion 3: Sammeln und Publizieren in Netzwerken
Moderation: Elisabeth Engl, Erlangen
Der Vortrag behandelt drei Schwerpunkte. Er wird danach fragen, welche Wege und logistischen Verfahren der Buchbeschaffung der Gelehrte des 18. Jahrhunderts genutzt hat, um sich seine Lektürestoffe und Arbeitsgrundlagen zu beschaffen. Ausgehend von der durch Kleinstaaterei geprägten Buchhandelsstruktur werden zunächst die geographischen Räume des Buchhandelsnetzes erläutert. Trotz der dezentral verorteten Buchproduktion und des bereits im 18. Jahrhundert hochprofessionell organisierten Buchvertriebs schränkten die logistischen Rahmenbedingungen einen unkomplizierten und schnellen Buchkauf ein. Um den im Zuge der Aufklärung neu formulierten Ansprüchen an die Tätigkeit der Gelehrten zu entsprechen, waren über die Dienstleistungsangebote des etalierten Buchhandels hinaus national wie international vielfältige Kontakte nötig. Daher muss auch der soziale Raum thematisiert werden, der durch Kommunikationsstrukturen konstituiert war und dem Gelehrten als Informationsnetzwerk diente.
Zweitens werden die Akteure auf dem Buchmarkt der Frühen Neuzeit konkret benannt. Dabei richtet sich der Blick auf die professionellen Praktiken der institutionell gebundenen Beteiligten. Dies waren in erster Linie Verleger und Buchhändler, die den Büchervertrieb organisierten, zu dem auch Buchauktionen gehörten. Darüber hinaus wirkten Gelehrte selbst als Akteure auf dem Markt, indem sie als Agenten und Buchvermittler weitere Kanäle der Buchbeschaffung öffneten. Neben dieser privaten Vermittlung von Bücherkäufen werden auch Bücherschenkungen der Gelehrten untereinander berücksichtigt.
Der dritte Aspekt behandelt das Spektrum der professionellen Informationsmedien, die dem Gelehrten Auskunft über Neuerscheinungen und andere Bücherangebote gaben. Dazu gehören die halbjährlich erschienenen Messkataloge, gedruckte Auktionskataloge, allgemeine Buchhändlerkataloge und auch Zeitschriften. Quer zu diesen allgemeinen Rahmenbedingungen ist zu zeigen, dass Christoph Jacob Trew durch seine vielfältigen sozialen Rollen als praktizierender Nürnberger Stadtarzt, als Direktor der Leopoldina und Mitglied der Royal Society in London, als Naturforscher, Autor und Herausgeber sämtliche Möglichkeiten der Buchbeschaffung nutzte und nutzen musste, um seine akademischen Aufgaben zu erfüllen.
Trews vielfältige Briefverbindungen sind im Kontext europäischer Kontaktnetze von Gelehrten zu sehen. Diese Netze werden seit längerem von vielen Seiten beforscht, und doch steht man bei vielen Fragen erst am Anfang. Im Vortrag werden einige der zentralen Erkenntnisse und offenen Fragen aufgezeigt, die auch für Trews Briefwechsel von Belang sind. Nicht zu unterschätzen ist die Heterogenität der Akteure und Verbindungen. Nebst berühmten Vielschreibern gab es weniger aktive Autoren, die aber an zentralen Schaltstellen saßen oder unzählige kleinere Figuren mit geringerem Sozialkapital, die Informationen sammelten und Bücher lieferten. Solange die Funktionen und Hierarchien klar waren, konnte der gewünschte Austausch im allseitigen Interesse stattfinden; sonst drohte der Informationsfluss ins Stocken zu geraten. Auch die Ausdehnung der Netzwerke unterschieden sich stark. Viele Gelehrte unterhielten wie Trew oder Rousseau ein vorwiegend auf ihren Sprachraum beschränktes Netz, während andere sich mehrsprachlich über den ganzen Kontinent austauschten und somit wichtige Scharniere im europäischen Wissenstransfer und der kulturellen Verflechtung bildeten. Nicht nur die Vorstellung rein bipolarer Beziehungen, auch die Darstellung von Ego-Netzwerken wird der Komplexität der damaligen Gelehrtenrepublik kaum gerecht. Um die Produktion und Verhandlung von Wissen im 18. Jahrhundert besser zu verstehen, müssen Korrespondenznetzwerk-Analysen mit vertieften Untersuchungen zu den ausgetauschten Inhalten, den Produkten (Zeitschriften, Bücher) und den involvierten Körperschaften (Universitäten, Gesellschaften etc.) verbunden werden.
Der Beitrag beleuchtet die Rolle Christoph Jacob Trews als Wissenschaftskommunikator und europaweit agierender ›Netzwerker‹ in der sich allmählich herausbildenden wissenschaftlichen Gemeinschaft. Hierbei soll die Funktion der Sprache und des Sprachenwechsels von der Wissenschaftskoiné Latein in die Vernakularsprachen unter einem dreifachen Aspekt gewürdigt werden:
Erstens ist im Zeitraum der wissenschaftlichen Tätigkeit Christoph Jacob Trews eine allmähliche Emanzipation der Vernakularsprachen als Wissenschaftssprachen zu beobachten, die um 1750 einen ersten Höhepunkt erreicht. Ihr Gebrauch setzt zögerlich ein und schwankt hinsichtlich der einzelnen Fachkulturen, Gegenstandsbereiche, institutionellen Verankerungen und gewählten Textsorten. Anhand der von Trew betreuten wissenschaftlichen Zeitschrift »Commercium litterarium« soll der Stellenwert der Vernakularsprachen gegenüber dem Latein genauer erfasst werden.
Einen zweiten Schwerpunkt bilden ausgewählte Briefwechsel Trews im wissenschaftlichen Netzwerk. Es sind 4.720 Briefe an Trew erhalten sowie 852 Briefe bzw. Briefentwürfe von Trew. Diese blieben oft nach dem Tod der Adressaten nicht erhalten. Anfang des Jahres 2019 werden alle Briefe in digitalisierter Form vorliegen. In den Briefen dominiert bereits deutlich der Anteil der deutschen Sprache neben vereinzelten Briefen auf Latein oder Französisch. Anhand ausgewählter Briefpartner (wie etwa der Briefe des Arztes Peter Christian Wagner u. a.) soll die Korrespondenz hinsichtlich der deutschen und lateinischen Anteile im Bereich der Fachterminologie, hinsichtlich der behandelten Gegenstände und der Disziplinen charakterisiert werden. Inwiefern ist ein kommunikatives Gefälle zwischen Deutsch und Latein noch spürbar? Können Veränderungen im Lauf der Zeit festgestellt werden?
Abschließend geht es um die zeitgenössische Reflexion über die Sprachenwahl bzw. um die unbewusste Adaption der Vernakularsprache und deren Folgen. So findet sich im »Commercium litterarium« eine explizite Verteidigung des Lateinischen, wobei die über Sprachgrenzen hinweg reichende Gültigkeit der Universalsprache wohl nur eine Begründung neben anderen darstellt. Neben der bewussten metasprachlichen Reflexion soll aber auch ein oft unbewusster Wechsel des Denkstils thematisiert werden, der mit dem Sprachenwechsel einhergeht. Ist mit dem Sprachenwechsel auch ein Wechsel in der Vertextung argumentativer, explikativer, deskriptiver oder narrativer Textteile innerhalb der Fach- bzw. Wissenschaftssprache verbunden?
Auf Initiative von Gaston d’Orléans begann Nicolas Robert (1614–1685), die Raritäten von dessen Garten in Blois in naturgetreuen Gouachemalereien zu dokumentieren. Nach dem Tod von Gaston gelangte diese Sammlung von Pflanzenillustrationen an Ludwig XIV., König von Frankreich, der die Seltenheiten aus Blois in den Jardin du Roi in Paris umpflanzen und die Bilddokumentation weiterführen ließ. Unter ihm und seinem Nachfolger Ludwig XV. setzten Jean Jobert (1643–1707), Claude Aubriet (1665–1742) und Madeleine Passeporte (1701–1780) die begonnenen Arbeiten fort, deren Ergebnis – die sogenannte »Collection des vélins« – im Cabinet d’estampes der Bibliothèque Royal in Paris aufbewahrt wurde. Da mehrere Arbeiten der beteiligten Miniaturisten im Druck erschienen, ist davon auszugehen, dass Trew von der im Eigentum der Könige von Frankreich befindlichen Sammlung gewusst hat. Es erscheint aber fraglich, ob er sie mit eigenen Augen gesehen und als Vorbild für seine eigene Sammlung von Pflanzenillustrationen betrachtet hat.
Sektion 4: Die Sammlung botanischer Illustrationen in der Bibliothek Trew
Moderation: Hans Dickel, Erlangen
Der Beitrag untersucht die botanische Illustration von Albrecht Dürer bis Conrad Gessner vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Natur- und Kunstdiskurses sowie einer sich im Zuge der Reformation verschärfenden Bildskepsis, die von den ökonomischen Rahmenbedingungen des expandierenden Buchmarktes ebenso geprägt ist wie von den Strategien des massenmedial verbreiteten Bildes.
Dürers künstlerisches Credo gipfelt in der Aussage, dass man die Kunst aus der Natur herausreißen solle. Mit seinen naturgetreuen Darstellungen krönt er die künstlerische Tradition des Spätmittelalters, die sich seit dem 13. Jahrhundert der fortschreitend perfektionierten Imitation der Natur verschrieben hatte. Doch bleibt die bedingungslose Naturnachahmung nicht ohne Widerspruch, wenn Dürer selbst in seinen Proportionsstudien und theoretischen Schriften wiederholt die Einsicht formuliert, dass kein natürliches Vorbild ohne irgendeinen Fehler sei.
Damit ist bereits bei Dürer ein Spannungsfeld zwischen Naturnachahmung und Naturverbesserung aufgebaut, das in der Frühen Neuzeit zu einem kontroversen Diskurs in der botanischen Illustration führt. Auf der einen Seite treten Künstler wie Hans Weiditz für ein möglichst authentisches, dreidimensionales und individuelles Pflanzenporträt mit Überlappungen, verwelkten Blättern etc. ein, auf der anderen Seite fordert Leonhard Fuchs eine möglichst illusions- und kunstlose Illustration, die von der Einzelbeobachtung zur Verallgemeinerung führen und das Individuelle zugunsten des Spezifischen überwinden solle. Zur Kontroverse um das richtige Bild trägt auch die Reformation mit ihrer Akzentverschiebung vom Bild auf das Wort bei und beflügelt damit die Neuauflage des Wettstreits zwischen Wort und Bild, der in der botanischen Illustration deutlichen Widerhall findet. Zu einer Verschärfung des Diskurses tragen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen des hart umkämpften Buchmarktes bei, die in den ambitionierten botanischen Werken mit immensen Kosten für die Formschnitte zu Buche schlagen. Verkleinerte und vergröberte Raubdrucke verringern nicht nur den publizistischen Erfolg, sondern untergraben auch die wissenschaftliche Autorität der mit hoher Sorgfalt vom Medium der Zeichnung in das Massenmedium des Holzschnitts übertragenen Illustrationen. In der Pflanzenillustration hinterlassen damit auch die neuen bild- und marktstrategischen Überlegungen des massenmedial verbreiteten Bildes im 16. Jahrhundert ihre Spuren.
Das in der Universitätsbibliothek Erlangen aufbewahrte Öllinger-Kräuterbuch ist eines der interessantesten Pflanzenmanuskripte des 16. Jahrhunderts. In den über 660 Abbildungen ließ der Nürnberger Apotheker Georg Öllinger vor 1553 Pflanzen aus dem nordalpinen und mediterranen Bereich, aus Amerika und dem Orient abbilden. Dabei ist gar nicht sicher, warum er dieses Werk ausführen ließ und wer die größtenteils kolorierten Zeichnungen anfertigte. Eines der Frontispize gibt an, dass der Autor ein Privileg erhalten hatte, doch ob es sich dabei tatsächlich um eine Druckerlaubnis handelte, ist nicht sicher, denn das Privileg wird im Zusammenhang mit dem Wappen Öllingers erwähnt. Immerhin weist die Mehrheit der Zeichnungen einen klaren Kontur auf, der für das Übertragen auf Druckstöcke sicherlich hilfreich gewesen wäre. Zu den ausführenden Künstlern sind vermutlich Anton Kleiber aus Luzern und Rudolph Wyssenbach aus Zürich zu zählen, auf die die Monogramme einiger der Darstellungen schließen lassen. Doch auch in diesem Fall müssen weitere Anmerkungen gemacht werden. Denn Öllinger war Teil eines weitgespannten Gelehrtennetzwerks, das bis nach Frankreich, die Schweiz und Italien reichte und innerhalb dessen der Austausch und das Kopieren von Naturaliendarstellungen üblich war. Müssen derartige Blätter mit Naturalien von der Hand anderer Künstler auch für Öllingers Manuskript angenommen werden? Schließlich enthält Öllingers Kräuterbuch auch einige wenige Tierdarstellungen. Was aber in erster Linie beim Kräuterbuch des Nürnberger Apothekers auffällt, ist die ursprünglich gänzliche Absenz jeglicher Texte. Die Blätter ›argumentieren‹ allein über ihre Bilder und sind von einer durchaus anspruchsvollen ästhetischen Komponente geprägt. Ähnliche Manuskripte sind von anderen Pflanzengelehrten bekannt, so von den Ärzten Johannes und Theophilus Kentmann, die ab den 1540er Jahren aktiv waren und mit Öllinger in Kontakt standen. Der Vortrag möchte die diversen Aspekte des Öllinger-Kräuterbuchs diskutieren und vorschlagen, es als Teil einer um 1500 neu aufkommenden Buchgattung, des Florilegiums, das selbst einer genaueren Definition bedarf, zu verstehen. Derartige Werke mögen die Gelehrsamkeit ihrer Besitzer unterstrichen, sie als führende Persönlichkeiten innerhalb des Gelehrtennetzwerks gekennzeichnet und ihnen einen hohen sozialen Status zugeschrieben haben.
Conrad Gessner arbeitete ab den frühen 1550er Jahren bis zu seinem Tod kurz vor seinem 50. Geburtstag am 13. Dezember 1565 an der Beschaffung und Zusammenstellung von Informationen und Abbildungen zu allen damals bekannten Pflanzen für seine geplante umfassende »Historia plantarum«. Seine Sammlung von annotierten Abbildungen hatte er als Manuskript in drei Foliobände mit insgesamt 984 Tafeln und gut 1.100 illustrierten Arten organisiert. Über 370 Tafeln, mehrheitlich von Arten, welche er selber gesammelt oder in seinem Garten kultiviert hatte, zeigen Details zu Untergrundorganen, Früchten oder Samen. Einige der nachweislich von Conrad Gessner geschaffenen Abbildungen gelten als herausragende Pflanzenillustrationen und zeigen eine beeindruckend lebendige und präzise Darstellung. Sie bildeten gut zweihundert Jahre später die Grundlage für die Abbildungstafeln im Werk »Conradi Gesneri Opera botanica« von Casimir Christoph Schmidel (1718–1792) aus dem von Christoph Jacob Trew verwalteten Nachlass von Gessner.
Für Conrad Gessner bildete die bildliche Dokumentation die Basis für seine Informationsorganisation in Form von umfangreichen Annotationen von seiner Hand, wie auch durch seine Mitarbeitenden, zu den im Manuskript skizzierten Pflanzenteilen. Zudem dienten die in Tusche gehaltenen Zeichnungen als Vorlage für die Ausarbeitung der Druckstöcke für seine »Historia plantarum«. Besonders eindrücklich lässt sich diese Forschungsarbeit an der dokumentierten Vielfalt der Steinbrecharten (Gattung Saxifraga) aus den Alpen aufzeigen. Die herausragende Leistung von Conrad Gessner in der Botanik ist demnach seine akribische und illustratorisch herausragende Dokumentation der Pflanzenvielfalt, die Berücksichtigung aller Pflanzenteile für deren Beschreibung und die vielfältigen morphologischen, ökologischen und biologischen Beobachtungen auf Exkursionen im Feld und die vergleichende Kultur von Pflanzen in seinem Garten.
Eines der größten Buchprojekte des deutschen Barock ist der 1613 auf Initiative des Nürnberger Apothekers Basilius Besler für Fürstbischof Johann Conrad von Gemmingen mit großformatigen Kupferstichen konzipierte »Hortus Eystettensis«. Das zwischen 1613 und 1740 in mehreren Auflagen verlegte Buch nimmt in der Geschichte der Botanik und der Pflanzenzeichnung eine Sonderstellung ein. Mit seinen künstlich arrangierten Tafeln manifestiert das Gartenportrait einen Wandel von der Veranschaulichung wissenschaftlicher Texte zu einem monumentalen Prachtwerk mit vorrangig ästhetischem Anspruch, das auf den Text sogar verzichten konnte.
Quellen zur Planung des »Hortus«, die auch die Geschichte des Eichstätter Gartens betrifft und neben den Auftraggebern und Besler mehrere Ratgeber, Zeichner, Reißer und Stecher involvierte, bieten Schlüssel zu seiner Konzeption. Weiteren Aufschluss geben die Ausgaben und Varianten sowie die schon 1613 vorgesehene Kolorierung. Das nächste Vorbild für die neuartige Komposition der Kupferstiche bot das um 1590 entstandene »Camerarius-Florilegium« (UB Erlangen, Ms. 2764), benannt nach dem Nürnberger Arzt und Botaniker Joachim Camerarius d.J. (1534–1598), der Georg Öllingers (1487–1557) berühmten Garten übernommen hatte und 1588 den mit Holzschnitten illustrierten »Hortus Medicus« drucken ließ. Vorbereitende Pflanzenzeichnungen in verschiedenen Stadien, an denen wohl der Zeichner des »Camerarius-Florilegiums« und die Nürnberger Mack-Werkstatt arbeiteten, lassen sich im »Schedel-Kalendarium« in Kew Gardens identifizieren, und an den Reinzeichnungen für die Kupferstiche (UB Erlangen, Ms. 2370) war Georg Gärtner beteiligt.
Kulturgeschichtlich und künstlerisch steht das Projekt im Kontext europäischer Interessen und Kontakte. Besonders interessieren Zeichnungskonvolute in Pisa; so der um 1595 von dem Augsburger Blumenmaler Daniel Froeschl angefertigte »Codex Casabona« (UB, Cod 513bis) und ein weiteres, dessen Diversität an das »Schedel-Kalendarium« erinnert (UB, Cod 513-514, vor 1625). Es stammt aus dem Umfeld des europaweit aktiven Kunstagenten Philipp Hainhofer, der auch den Eichstätter Garten besuchte und möglicherweise den Erwerb eines kolorierten »Hortus« für die venezianische Kunstkammer Andrea Vendramins (1565–1629) vermittelte. Als um 1750 eine Neuauflage des »Hortus« anstand, versammelten Christoph Jacob Trew und der Eichstätter Arzt Johann Georg Starckmann die Quellen zu einer »Historia Horti Eystettensi«.
Sektion 5: Trew und die Funktion der Bilder für die Botanik
Moderation: Claudia Steinhardt-Hirsch, München
Abbildungen waren im botanischen Alltag des 18. Jahrhunderts allgegenwärtig: ungedruckt als eigene Skizzen und Aquarelle lokaler Künstler; gedruckt als Kupferstiche vom handlichen Oktav bis zu reich illuminierten Bänden in Elefanten-Folio. Abgebildet wurden unscheinbare Gräser, nützliche Heilpflanzen, exotische Blüten und vieles mehr, in thematischer, regionaler oder auch nationaler Ausrichtung. Entsprechend dieser Vielfalt an Formaten variierten die Funktionen, für die man botanische Abbildungen herstellte und nutzte. Der Vortrag lotet das Spektrum dieser Funktionen aus, mit besonderem Augenmerk auf die Werke von Christoph Jacob Trew.
So dienten botanische Abbildungen einerseits epistemischen Funktionen: sie waren angelegt als komplexe Artbeschreibungen, die andere Repräsentationsformen ergänzten, z. T. auch ersetzten; sie wurden genutzt als Evidenz ungewöhnlicher Beobachtungen, oder gar als Referenzpunkt in inhaltlichen Debatten über Distanz. Um diesen Funktionen zu genügen, mussten die Abbildungen bestimmten Konventionen der Disziplin genügen, die etwa Trew seinem Kreis an Künstlern und Kunsthandwerkern zu vermitteln suchte. Doch war es Trew wie auch anderen Botanikern ebenso wichtig, dass die Abbildungen schön waren. Darauf wurde gerade bei Werken in reicher Ausstattung geachtet; im Fall nationaler oder imperialer Florenwerke, wie etwa der Flora Danica, kam noch die repräsentative Funktion hinzu, sowie der Anspruch, ein bestimmtes Gebiet territorial zu vertreten. Diese unterschiedlichen Ansprüche an botanische Abbildungen waren nicht leicht miteinander zu vereinbaren. Ein besonders instruktives Beispiel bieten die von Trew herausgegebenen »Plantae Selectae«, für die er die hundert besten botanischen Abbildungen von Ehret zusammengestellt hatte. Die gedruckten Tafeln sollten in jeder Hinsicht vollkommen sein: wie der Vortrag zeigt, stellte dies die Zusammenarbeit von Autor, Kupferstecher, Koloristen und Verleger empfindlich auf die Probe.
Die Herstellung und Verbreitung von Pflanzenabbildungen und somit die anschauliche Präsentation von Pflanzen haben die Entwicklung der Botanik als Wissenschaft stark beeinflusst. Die unterschiedliche Nutzung der bildlichen Darstellungen hatte im 18. gegenüber dem 19. Jahrhundert jedoch sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Botanik. Die »Plantae selectae«, die von Trew zwischen 1750 und 1773 veröffentlicht wurden, stellten eine Glanzleistung der Pflanzenillustration dar. In diesem Werk werden Ästhetik und Kunst mit den Gesetzmäßigkeiten und der Harmonie der Natur in herausragender Weise vereint. Die Naturwissenschaft Botanik konnte in den Folgejahren eine starke Entwicklung verzeichnen. Wenig später bereits beginnt sich die Disziplin in verschiedene Teilbereiche zu differenzieren. Anfang des 19. Jahrhundert markierte im »Windschatten der großen Botaniker wie Alexander von Humboldt und Ernst Haeckel« ein botanisches Meisterwerk einen weiteren Meilenstein. »Deutschlands Flora in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen« (1798-[1862]) des Nürnbergers Jacob Sturm entwickelte sich zu einem Standardwerk in ihrem Gebiet.
Der Vortrag zeigt auf, wie Pflanzenillustrationen über unterschiedliche Ansätze die Wissenschaftsgeschichte der Botanik prägten und welche Wirkung dies nachhaltig auf die heutige Wissenschaft hat.
Während seiner Tätigkeit als Arzt und Naturforscher pflegte Christoph Jacob Trew ein enges Verhältnis zu Zeichnern, Kupferstechern und Verlegern. Insbesondere sein botanisches Hauptwerk, die »Plantae selectae«, waren von einem stetigen Austausch mit naturgeschichtlichen Künstlern gekennzeichnet. In der Zusammenarbeit mit Trew etablierten diese Künstler – es seien dabei vor allem Georg Dionysius Ehret (1708–1770) und Johann Jacob Haid (1704–1767) genannt – spezifische Praktiken der Bildgenese, die die Gestalt der »Plantae selectae« und nachfolgender Werke nachhaltig prägten. Dies wurde zum einen möglich durch die Ausbildung der Künstler im familiären und akademischen Kontext, zum anderen durch ihre Fortbildung in Bezug auf botanische Theorien der Klassifikation und Taxonomie sowie der Pflanzenzergliederung durch Trew persönlich. In seiner Arbeit mit naturgeschichtlichen Künstlern achtete Trew zudem auf ein von seiner Supervision geprägtes Arbeitsverhältnis, um das stark arbeitsteilige Vorgehen, das bei der Herstellung der »Plantae selectae« angewandt wurde, wieder zu bündeln und qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse zu garantieren.
Der Vortrag wird die Arbeitsweise naturgeschichtlicher Künstler im Detail betrachten und die Interessen der Künstler im Prozess der Bildgenese herausarbeiten. Es ist lohnenswert, das hochgradig arbeitsteilige Vorgehen der Künstler in Bezug auf die Motivauswahl, die Gestaltung der Vorlagen und die Übersetzung der Vorlagen in den Druck auf spezifische Praktiken hin zu untersuchen, da diese Arbeitsschritte einen immensen Anteil an der epistemischen Qualität des fertigen botanischen Werks hatten. Dabei wird die These vertreten, dass naturgeschichtliche Künstler einen spezifischen Beitrag zur Wissensgenese der Botanik leisteten. Dies war möglich dank der Erweiterung ihres Ausbildungshorizontes in der Zusammenarbeit mit Trew und dank der Richtlinien, die dieser zur Erstellung botanischer Abbildungen etablierte.
Der Vortrag bewegt sich an der Schnittstelle von Wissenschafts- und Kunstgeschichte. Methodisch werden Praktiken auf vier Ebenen untersucht: Erstens handwerklich-technisch, zweitens im Zugriff auf botanische Theorien der Zeit, drittens in Bezug auf eine (akademische) Ausbildung und viertens hinsichtlich von Kooperation und Konkurrenz in der Zusammenarbeit von Künstlern und Naturforschern. Dies ist von übergreifender Relevanz, da sich so fassen lässt, in welch großem Spektrum sich Trews gelehrte Praktiken bewegten.
Initialerlebnis für Trews intensive Beschäftigung mit der Agave americana L. war wohl die 1726 im Nürnberger Garten der Familie Volkamer zur Blüte gekommene Pflanze. Nach einer Studienreise hatte Trew sich 1721 in Nürnberg niedergelassen und als Stadtarzt etabliert. 1728 kaufte er ein Haus mit Garten und Gewächshaus »hinter St. Lorenzen im Wespennest« und widmete sich u.a. der Beobachtung der von ihm gezogenen »Exotica«, darunter über 30 »species von aloen« (Brief an Heister, 1732). Trew verfolgte den Plan einer umfassenden Beschreibung der Aloe-Arten auf der Grundlage eigener und von Korrespondenzpartnern übermittelten Beobachtungen. Seine Ende 1726, anlässlich der Volkamerschen Aloe-Blüte publizierte Schrift »Beschreibung der Großen Amerikanischen Aloe, Theils aus den bewährten Autoribus, theils aus eigener Erfahrung zusammen getragen«, hat er mehrfach als »Prodromus« der geplanten »Aloegraphia« bezeichnet. Diese ist erst 1744 in der medizinischen-naturkundlichen Wochenschrift »Commercium Litterarium« erschienen.
Der Vortrag geht den Spuren nach, die Trews Interesse an den Aloen in seinen vielfältigen Sammlungen hinterlassen hat: in Briefschaften mit anderen Botanikern und Gelehrten, einem Konvolut von Bestellkatalogen für Pflanzen, einer Mappe mit über 20 Kupferstichen, die die Aufsehen erregenden blühenden Aloen in großen Schmuckblättern festhalten, der Literatur in seiner Bibliothek sowie in seinen eigenen Publikationen. Diese Zeugnisse zeigen das Spannungsfeld zwischen den »Observationes« und den Autoritäten, aber auch Trews Versuch, sich neben der ärztlichen Tätigkeit einen Namen als Gelehrter zu machen. Diese Mikroanalyse folgt beispielhaft den unsichtbaren Fäden, die die Trew-Sammlungen – aus heutiger Perspektive – zusammenhalten.