Nachruf Prof. Dr. Bernhard Rupprecht (1928–2017)
Prof. Dr. em. Bernhard Rupprecht, der ehemalige Ordinarius für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, ist am 6. November 2017 im Alter von 89 Jahren verstorben.
Geboren 1928, studierte er ab 1951 zunächst in seiner Heimatstadt Bamberg, danach in München Kunstgeschichte, Geschichte, Klassische Archäologie und Philosophie und wurde 1957 bei Hans Sedlmayr mit der noch immer grundlegenden Dissertation zum Thema „Die bayerische Rokoko-Kirche“ promoviert. Seine erste Professur erhielt er 1969 an der neu gegründeten Universität Regensburg, von 1974 bis zu seiner Emeritierung 1993 vertrat Rupprecht den Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Erlangen. Zuvor war er von 1957 bis 1959 als Stipendiat am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, es folgte ein Forschungsprojekt über Palladio-Villen, ein Thema, das sich in seiner Münchner Habilitation „Die Villa des Veneto“ von 1966 wiederfindet. Zwischen 1961 und 1963 hatte er eine Assistentenstelle am Kunsthistorischen Institut in Florenz inne. Danach war Rupprecht bei Professor Norbert Lieb Assistent am Kunsthistorischen Seminar der Universität München. Sein damaliger kunsthistorischer Themenschwerpunkt spiegelt sich in dem 1966 zusammen mit Hermann Bauer begründeten „Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland“ wider.
Im Nachruf ehemaliger Studierender für ihren akademischen Lehrer darf auch dessen Habitus nicht unerwähnt bleiben. Hierzu gehören zunächst die Vorlesungen, die Rupprecht in freier Rede und einer den Franken nicht verhehlenden Diktion ebenso brillant wie pointiert vortrug, ja geradezu zelebrierte und damit seine Zuhörerschaft faszinierte. Die berühmte Stecknadel im Heuhaufen wäre auch deshalb zu hören gewesen, weil er sich wie in allen seinen Veranstaltungen den damals allfälligen Gebrauch von Stricknadeln mit Nachdruck verbeten hatte. In den 1970er und 80er Jahren brauchte es dazu eine natürliche Autorität, die Rupprecht, als erklärter Konservativer, durch seine Persönlichkeit und fachliche Kompetenz ausstrahlte. Die in seiner Kunstinterpretation gerne näher beleuchtete Mimik und Gestik praktizierte er selbst überdeutlich. Von Studierenden vorgetragene Zitate oder Thesen wurden umgehend, schlechterdings mit einer Augenbrauenbewegung, verschärfend mit einem Augenrollen bewertet. Prüflinge ließen sich davon mitunter verunsichern, obgleich der Prüfer Rupprecht die Nervosität nicht nur der Doktoranden im Rigorosum wunderbar zu beruhigen wusste. Er legte aus dem Kontext des jeweiligen Dissertationsthemas vertraute Abbildungen oder Publikationen vor und fragte vom Speziellen ins Allgemeine. Absprachen zu spezifischen Prüfungsfeldern lehnte er übrigens ab mit der Bemerkung „Sie haben doch Kunstgeschichte studiert und nicht die Malerei des 19. Jahrhunderts“.
Er legte sehr viel Wert auf eine bisweilen bis zur Unnahbarkeit reichende Distanz. Gleichzeitig aber ergötzte er sich regelrecht an Sarkasmus, bevorzugt auch an seinem eigenen, war humorvoll und konnte gesellig sein. Beleg dafür waren u. a. die von ihm geleiteten, als legendär in Erinnerung gebliebenen Exkursionen. Gerade ob solcher Eigenschaften wurde Bernhard Rupprecht von den Studierenden nie „angehimmelt“, sondern hochgeachtet.
Die Bedeutung, die er dem wissenschaftlichen Nachwuchs beimaß, zeigte sich in Seminaren und Übungen zur Einführung in die Kunstgeschichte. Seine Vorstellung einer breit angelegten Allgemeinbildung als Grundlage eines erfolgversprechenden Studiums der Kunstgeschichte vermittelte er in aller Deutlichkeit und desillusionierte damit so manchen Studierenden. Grundkenntnisse auch des Altgriechischen hielt er für angezeigt, schließlich sollten angehende Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen Erwin Panofskys „Idea“ gelesen und auch verstanden haben. Rupprecht setzte sich für einen permanenten „Blick über den Tellerrand“ ein und förderte solches durch das Studienangebot am Lehrstuhl, etwa mit Fachdozenten der Denkmalpflege und der Restaurierungstechnologie oder durch eine Kooperation mit anderen Studienfächern, zum Beispiel der in Erlangen protestantisch ausgelegten „Christlichen Archäologie“. Dementsprechend gestaltete er Hauptseminare überaus anspruchsvoll, und wenn er stets ein Studium „hart am Material“ einforderte, beinhaltete dies mitunter auch Quellenarbeit. Seine meist mit eigenen Forschungen verknüpften Vorlesungs- bzw. Seminarthemen spiegelten seine vielfältigen, regelmäßig über die Grenzen der klassischen kunsthistorischen Disziplin hinausreichenden Lehrinhalte wider. Wenn auch mit anfänglichem Widerwillen, folgte er beispielsweise der Anregung aus dem Teilnehmerkreis, eine Frankreich-Exkursion zu Monumenten romanischer Skulptur mit Le Corbusiers 1955 fertiggestellter Wallfahrtskirche Notre Dame du Haut von Ronchamp zu beginnen. Vor Ort lieferte er dann u .a. einen Beitrag zu den Vorzügen der Liturgie vor der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Neben seinen Kernthemen Malerei, Architektur und Ornament des Barock und Rokoko, unter besonderer Berücksichtigung der Phänomenologie von Licht und Farbe, deckte Bernhard Rupprecht ein vielschichtiges Spektrum der Kunstepochen ab. Dieses reichte von der Skulptur der Romanik bis zu Pablo Picasso und der Analyse von dessen Sylvette-Zyklus. Gleichwohl beinhaltete die Picasso-Vorlesung einen breitangelegten Exkurs zu Peter Paul Rubens. Das studentische Unverständnis dazu kommentierte er mit dem Hinweis, dass man Rubens zwingend kennen müsse, um Picasso und die Kunst des 20. Jahrhunderts zu verstehen. Deutlich wird Rupprechts Themenvielfalt beim Lesen seiner Publikationsliste (in: Musis et Litteris. Festschrift für Bernhard Rupprecht, hg. von Silvia Glaser / Andrea Kluxen, München 1993, S. 601 ff.), ferner in den Themen der von ihm betreuten Doktoranden. Mit der vom „Doktorvater“ eingeforderten Präzision wissenschaftlicher Methodik reichte das Spektrum hier von frühchristlichen Relief-Ikonen über Ansbacher Fayencen bis zur „Revision der Moderne unterm Hakenkreuz“, von Polidoro da Caravaggio über Cosmas Damian Asam, Martin Knoller und die Deutschen Porträtmalerei um 1800 bis hin zu den Darstellungen der Apokalypse in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Hinzu kommen Architekturthemen wie etwa die fränkische „Residenz als Bauaufgabe des 17. und 18. Jahrhunderts“, die Schönbornschlösser von Lucas von Hildebrandt und Balthasar Neumann, die von Andrea Palladio beeinflusste Architekturtheorie um 1700 oder die Coburger Neugotik.
Nach seiner Emeritierung beschäftigte sich Bernhard Rupprecht weiterhin mit seinen kunsthistorischen Vorzugsthemen. Im Mittelpunkt stand dabei die venezianische Malerei, vor allem das Werk Tintorettos. Und mit Begeisterung nahm er an von ehemaligen Studierenden organisierten Privatissima in Münchner Museen teil. Diese dann fröhlichen Übungen vor Originalen verleiteten ihn bisweilen zu einer ungekannt wohlwollenden Augenbrauenbewegung in Anerkennung der inzwischen fortgeschrittenen Erkenntnisse seiner „Schülerschaft“.
Autor: Bernd Vollmar, Landeskonservator a.D.